Samstag, 23. August 2008
Der Graf
Ein leichter Windstoß streifte den Mantel, dessen schwarze Farbe mit der nächtlichen Dunkelheit verschmolz, und ließ seinen Träger kurz schaudern. Der blieb stehen, sein Gesicht verharrte in ausdrucksloser Nachdenklichkeit. Hochgewachsen war er, beinahe zwei Meter groß. Seine Haut sah blass aus, pechschwarze Haare verstärkten diesen Eindruck. In letzter Zeit musste er oft schaudern. Mittlerweile kannte er dieses Gefühl, ganz im Gegensatz zu früher. Da war er anders gelaufen als jetzt, wo ihm jeder Schritt schwer fiel. Damals hatte er jeden Schritt im Bewusstsein gesetzt, bedeutend zu sein.
Alle waren vor ihm zurückgewichen. Besonders diejenigen, die ihn kannten. Respekt war das mindeste, was er verlangt hatte, immer mit fließender Grenze zur Angst.
Heute musste er sich kurz gegen einen Baum lehnen, um neue Kraft zu sammeln.
Die Umgebung war still, kein Geräusch zu hören außer ein paar Vögeln. Sogar der Wind verschwand. Der Mann blickte auf, seine Augen suchten die Stadt, deren Lichter sie deutlich aus der Ferne erkennbar machten. Er wollte dort nicht mehr hingehen, so gerne er es auch früher getan hatte. Zu hell flackerten ihre Lichter jetzt, zu unvorhersehbar, zu beliebig. Sie lösten eine Hektik aus, die sich auf jeden Stadtbewohner zu übertragen schien.
Draußen auf dem Friedhof kam die Hektik nicht an. Diese Umgebung war die einzige, welche der Mann noch verstand. Er löste seinen Blick von der verhassten Stadt und stieg die letzten Meter auf einen Hügel hinauf, dem Ziel seiner Reise. Dort angekommen musste er an eine Regel denken, die ihm bereits als Kind beigebracht worden war:
Der Preis für ein unsterbliches Leben besteht in der Feindschaft zum Licht.
Aber als der alte Graf dann nach Osten sah und sich dort bald die ersten Sonnenstrahlen abzeichneten, da schauderte er wieder und blieb sitzen, bis ihn das Licht verschluckte.


(Inspiriert durch das Lied „Der Graf“, welches von einem Mitglied der besten Band der Welt geschrieben wurde.)

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Doch daaaaamals, ja früüüüüüher...

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