Sonntag, 24. Dezember 2006
Stille Nacht
Wieso immer auf den letzten Drücker?
Heilig Abend ist jedes Jahr am 24., theoretisch hatte er also 365 Tage Zeit, um ihr ein Geschenk zu kaufen.
„In den letzten Wochen gab es einfach zu viel Stress, die ständige Beobachtung vom Chef, die ganze Arbeit zuhause…“
Er drückte das Gaspedal weiter nach unten.
„Wenigstens kann ich jetzt so schnell fahren, wie ich will.
Das ist der Vorteil, wenn man ohne weibliche Begleitung im Auto sitzt…“
Doch zahlreiche rote Ampeln und vor allem ein immer heftig wehender Schneesturm verlangsamten seinen Weg.
„Sie mag den Schnee. Bestimmt sitzt sie jetzt zuhause am Fenster und schaut dabei zu, wie die Flocken vom Wind hin und her getrieben werden. Dabei zieht sie ihre Decke Stück für Stück höher, sodass irgendwann nur noch der Kopf hervorschaut.“
Ihm jedoch war der Schnee im Moment zuwider, was man deutlich an seinem immer mehr versteinernden Gesicht ablesen konnte.
„Wenn Du den Ring nicht mehr bekommst, dann war´ s das endgültig mit der Beziehung, so viel ist sicher.“
Vor Nervosität begann er nun, wahllos auf den Programmtasten seines Radios rumzudrücken.
„Last Christmas, I gave you my heart…”
In weniger als einer Sekunde hatte seine Hand das Radio abgedreht.
Endlich auf dem Parkplatz des Juweliers angekommen, lehnte er sich einigermaßen beruhigt zurück. Der Schneesturm wurde zwar stärker, aber das kümmerte ihn nicht.
Schließlich war das Juweliergeschäft jeden Werktag bis 20 Uhr geöffnet.
Dass jedoch alle Regeln ihre Ausnahmen haben, lernte er nach einem Blick auf das hübsche Schild, welches an der verschlossenen Tür baumelte.
„Wir wünschen allen Kunden frohe Weihnachten sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr und sind ab dem 02. Januar wieder für Sie da!“
Im Laufe seines Lebens hatte er gelernt, mit einigen Enttäuschungen umzugehen.
So blieb sein Gesicht nach zweimaligem Lesen des Schildes merkwürdig ausdruckslos, und nur der geübte Beobachter hätte durch das leichte Zittern seiner rechten Hand feststellen können, wie es wirklich in ihm aussah.
Statt zurück zum Auto zu gehen, trottete er in die nächste Querstraße.
Es war nun komplett dunkel, und der dichte Schnee nahm im zusätzlich die Sicht.
Deswegen konnte er auch die Mülltonne nicht erkennen, über die er stolperte und so mit dem Gesicht zuerst im Schnee landete. Selbige Tonne wurde einige Sekunden später zum Objekt seiner geballten Wut, die sich über Jahre und vermehrt in den letzten Minuten in ihm angestaut hatte.
Er begann, so lange auf sie einzutreten, bis eine deutliche und für ihn befriedigende Verformung zu sehen war.
Endlich blieb er stehen, keuchte, und bewunderte sein Werk.
„Wat isn dat fürn Krach am heiljn Abend?“
Die Stimme kam irgendwo von über ihm.
„Entweder ist mein Verstand endgültig erfroren oder der Herr persönlich spricht zu mir…“
Er blickte nach oben und sah dank des nun nachlassenden Schneesturmes die Umrisse eines Mannes, der an der Kante des Häuserdaches stand.
„Was machen Sie da oben?“
„Wat machst Du da unten?“
Schon wollte er sich entnervt abwenden, doch schnell fiel ihm ein, dass er sowieso nicht wusste, wo er hinsollte.
Also blieb er.
„Ich war sauer und habe meine Wut an dieser verdammten Mülltonne ausgelassen…“
„Wieso warste denn wütend, is doch Weihnachten?“
Ausweichend begann er nun damit, sich den Schnee vom Mantel zu klopfen.
„Verstehe, dit willste mir nich sagen. Na jut, kennst mich ja ooch nich…“
Schon bald fand er keine Stelle mehr auf seinem Mantel, die noch schneebedeckt war.
„Ich wollte meiner Freundin zu Weihnachten einen wunderschönen Ring kaufen, aber dieser dämliche Juwelier hat schon zu…“
In diesem Moment verstand er selber nicht, warum er so offen war.
„Und warum bitteschön warteste damit bis uffn letzten Drücker?“
An dieser Stelle blieb er stumm.
„Allet klar, aber liebste ihr denn so richtich?“
Sein Blick wurde etwas nachdenklicher, und er begann, mit der Hand an seiner Nase zu tasten.
„Ja, ich denke schon. Ich meine, wir hatten in letzter Zeit unsere Probleme, aber ich wollte das alles wieder gut machen, verstehst Du?“
„Und ditt willste hinbekommen, in dem de jegen Mülltonnen trittst und mit ollen Pennern, die uff Häusern stehen, rumlaberst? Junge, jeh zu Deinem Mädel nachhause, die will Dir bestimmt sehn!“
In diesem Moment wurde das Zittern in seiner rechten Hand schwächer.
„Ich habe doch kein Geschenk!“
„Aber jenug Zeit, um uffm Nachhauseweg darüber nachzudenken, warum De Dich in se verliebt hast, nen paar Blümken zu koofen, und nen schnieket Restaurant für heute Abend oder morgen zu überlejen.“
Das Zittern in seiner rechten Hand hatte endgültig aufgehört.
Erstmals begann der Fuß zu schmerzen, mit dem er gegen die Mülltonne getreten hatte. Es war ihm völlig egal. Lächelnd wandte er sich vom Mann auf dem Dach ab und war im Begriff, zu gehen. Doch dann drehte er sich ein weiteres Mal um.
„Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie eigentlich auf diesem Dach machen!“
Nach kurzer Stille kam die Antwort.
„Icke? Ach so, ick wollte eigentlich springen, verstehste…“
„Was, aber das können Sie…“
Der Mann auf dem Dach unterbrach ihn.
„Nun bleib mal janz ruhich meen kleener, ick habs ma gerade anders überlegt.“
Er schaute den Mann auf dem Dach nun zum ersten Mal wirklich an.
„Aber eens musste mir versprechn…“
„Ok, und was?“
„In eenem Jahr steh ick vielleicht wieder hier, und dann wärs dufte, wenn de ooch wieder da wärst…“
„Alles klar, das lässt sich einrichten…“
„Frohe Weihnachten, mein kleener, und grüß mir Deene Olle!“
Eigentlich wollte er den Wunsch noch erwidern, aber als er das nächste Mal nach oben blickte, da war der Mann bereits verschwunden.
So machte er sich auf den Heimweg, durch Nässe und Kälte, doch spüren konnte er weder das eine noch das andere.


Ich wünsche allen meinen Lesern frohe und vor allem erholsame Weihnachten, besonders Eli, Basti, Jule, Yannik und Matze!

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Hey Tobi, vielen vielen lieben Danke, ich wünsche dir ebenfalls super tolle weihnachten, feier schön mit deiner familie, lass dich reich beschenken und genieße einfach mal den tag, ok? :) SChöne Feiertage und vlllllt noch ein bisschen schnee, obwohl ich mich zu erinnern glaube, dass du keinen schnee magst, nicht ?
Deine geschichte ist wirklich schön geworden, sone richitg herzerwärmende weihnachtsgeschichte, genau das richtige um es morgens am heiligen abend zu lesen, um mich auf weihnachten einzustimmen, denn ich hab jetz ehrlich ein bisschen mehr weihnachtsgefühle als eben noch :)
Na dann, FROHE WEIHNACHTEN, auch an deine anderen leser !! :)

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Nicht schlecht, Herr Specht.
Immerhin hab ich jetzt wenigstens noch ein BISSCHEN Weihnachtsstimmung bekommen, was angesichts des bekloppten Wetters eigentlich nicht mehr zu erwarten war...
Die Geschichte ist echt gut! Mehr brauch ich denke ich nicht zu sagen.
Dir ebenfalls ein schönes Fest!

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Hi Tobi,

wirklich sehr schön. In dieser Geschichte steckt mehr Text als es optisch den Anschein hat. Zunächst einmal hast du zwei sehr interessante und auch irgendwo lustige Charakter geschaffen. Die Idee wie Sie sich finden und mehr oder weniger durch Zufall helfen, finde ich großartig und dies lässt mich glauben, dass wir manchmal doch von mehr, als nur von uns selbst gesteuert werden...

PS. Ich möchte den Text gerne verwenden und einige Leute in unserem Werbeportal damit beglücken. Ich denke dies ist in deinem Interesse. Irgendwo hat die Geschichte, für mich persönlich zwar PASSENDE Ecken und Kanten, die allerdings einige andere Leute nicht so gut finden könnten. Deshalb habe ich da speziell das Werbeteam vorgesehen, da ich die Leute schon persönlicher kenne als unsere User. Also bekommen ca. 10 sehr enge Teamkammeraden von "PNC" dein Geschichte. Weiter so und danke

Mathias
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Schnee? ^^
Ich verfolge seit letzter Zeit die Geschichten und mir gefallen sie echt gut.
Hab mir schon gedacht, dass ne Weihnachtsgeschichte kommen wird...vll sogar richtig drauf gewartet. Danke für dieses Geschenk
Bis auf den Schnee klinkt die Geschichte auch für dieses Jahr total passend...Ich war zum Glück etwas früher mit den Geschenken fertig :-)
Wünsche dir ein frohes Weihnachten und viel Kreativität für weitere spannende Geschichten.

Grüße
ein neuer Fan?!

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Danke
Es freut mich, dass ich mit der kleinen Geschichte etwas Weihnachtsstimmung verbreiten konnte, denn genau das hatte ich vor. Auch finde ich es toll, dass die bisher veröffentlichten Geschichten einige Anhänger gefunden haben. Selbstverständlich wird es an dieser Stelle weiterhin Kurzgeschichten geben, mal mehr, mal weniger, je nach Zeit und Kreativitätsphase.

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... wieder mal ein toller Gedankengang, Tobi!! Sollten viel mehr Leute lesen und man sollte echt drüber nachdenken.

LG, Jule

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