Dienstag, 6. März 2012
Nach dem Rausschmiss
Es durchzieht ein Lichtstrahl die neblige Nacht. Trifft auf Blätter, Äste, Laub. Schwenkt hin- und her, milchig und endlich. Keuchend sind die Schritte, wacklig ist der Atem. Oder umgekehrt? Das Licht zuckt, jetzt von unten nach oben. Einerlei, denn das Dickicht kennt keine Grenzen. Da vorne, ein Weg! Schnelle Schritte auf nassem Laub verscheuchen ein Reh – und führen ins Nirgendwo. Wo Füße Kies berühren sollten, sind wieder nur Zweige und Blätter. Stoßen hinein und wirbeln durcheinander, was schon durcheinander ist. Aus die Lampe, ihr Schein ist trügerisch.
Ich schaue mich um und sehe nur Schemen. Wer sagte, dass sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen? Meine Hand, ausgestreckt soweit es geht, berührt bloß feuchte Rinde, glitscht an ihr entlang wie eingeseifte Finger an einem Wasserhahn, der zu fest verschlossen wurde. Tief atme ich ein, ziehe die unverbrauchte Luft nach oben, bis ich die Frische an der Innenseite meiner Nasenwände spüre. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Innehalten. Bereit? Dann los, auch wenn Dir der Wald ins Gesicht peitscht. Was sind Kratzer gegen das Gefühl, aus tiefster Finsternis ins Warme zu treten?

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Mittwoch, 30. November 2011
Der Felsen
„Ich bin einer, der sich festhält, wenn der Strom reißend wird. Immer mit der Brust gegen den Wasserdruck, jawoll!“ So gibst Du Dich gerne, ich weiß. Aber was war letztens auf der Party, als Benny sich über die „Türkenseuche“ beschwert hat? Du standst nur so da, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, und hast woanders hingeguckt. Er meint es doch nicht so – war das Deine innere Entschuldigung? Oder vor zwei Wochen, am S-Bahnhof Heiligensee, wo der Schrank seinem Begleiter eine gelangt hat, dass der ins Taumeln geriet. Du liefst nur so vorbei, mit den Händen in den Taschen und dem iPod im Ohr. Die hat er sich gewiss verdient – war das Deine innere Entschuldigung? Oder gestern. Da fragte Dich Deine Freundin, ob Du „Zweiohrküken“ mit Ihr schauen willst. Hallo? Diese belanglose, stereotypenstrotzende Luftnummer? Du hast nur so genickt und Dich der Hoffnung hingegeben, ihr würdet danach poppen. Wurde nichts draus. Aber Du lagst noch lange wach, während sie Dich im Schlaf in die Seite boxte. Hast Deine Hälfte des Bettes verteidigt, wie ein echter Fels in der Brandung.

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Dienstag, 14. April 2009
Kulissenabbau
Hallo Du. Ja, ich meine Dich, der Du gerade auf Deinen Monitor schaust. Wirf einen Blick aus dem Fenster, meinetwegen auch nur in Gedanken! Was siehst Du? Vielleicht dasselbe wie ich? Eine schöne Gegend, bewaldet und nahe am Wasser, voller gepflegter Ein-und Zweifamilienhäuser? Oder Hochhäuser, die ihrem Betrachter ein Gefühl der Erniedrigung geben? Sind es Altbauwohnungen, ohne Schutz vorm Lärm der Straße? Egal. Was Du siehst, wird einem Ort ähnlich sein, von dem ich Dir erzählen möchte. Es gibt da ein Dorf, das ist durch und durch krank. Nicht das Dorf selbst, sondern seine Bewohner! Sie zeigen sich Dir beim Verlassen ihrer Häuser, wenn sie ihren alltäglichen Geschäften nachgehen. Einkaufen, der Weg zur Arbeit, Rasen mähen. Du wirst von ihnen gegrüßt, sie winken Dir zu, rufen ein fröhliches „Alles fit?“ in Deine Richtung. Sie bringen Deine Post, werden Dein Anwalt, schneiden Dir die Haare und unterrichten Deine Kinder. Manchen kommst Du näher, knüpfst vertrauensvolle Bänder, zeigst Dich ihnen nackt. Doch stehen sie hinter ihren Häuserwänden, weißt Du nicht, wie sie aussehen, dreinschauen, sich bewegen oder welche Wörter sie in den Mund nehmen. Die Frage lautet: Willst Du es wissen?

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