Freitag, 12. Oktober 2007
Kleinigkeiten
„Ihr Hobby ist merkwürdig“.
Das sagt jedenfalls die Mehrzahl der Leute, die sie kennt.
Es findet sich nichts Perverses daran, soviel steht fest.
Aber seit wann muss eine Tätigkeit abartig sein, um von den Menschen mit dem selben verzogenen Gesichtsausdruck bedacht zu werden, wie etwas, das diese Mimik wirklich verdient?
Anders muss dieses Hobby sein, schon ziehen die Leute ihre Augenbrauen nach oben.
Sie taten es, wenn sie von ihrem Hobby erzählte.
„Ich filme.“
„Aha, und was?“
„Dinge, die sonst vergessen werden. Eine Plastiktüte, welche vom Wind hin und her gerissen wird. Von den Blättern tropfender Tau, oder Butterblumen auf einer Waldwiese.“
„Soso…“
Die Filme landeten auf DVDs, und da es so viele waren, nahmen sie den größten Platz in den Regalen ihres Zimmers ein. Der Überblick hätte leicht verloren gehen können, also musste sie die DVDs beschriften.
Dabei gab sie sich besonders viel Mühe, schrieb manchmal sogar kleine Gedichte auf die Cover, passend zum jeweiligen Inhalt.
Oft tat sie das mit vor Aufregung zitternder Hand.
Beim Anschauen der Filme saß sie dann alleine auf ihrer Couch.
„Du verschwendest Deine Zeit, indem Du diese unwesentlichen Dinge filmst.
Mach doch keinen solchen Aufriss wegen Sachen, die niemanden bewegen!“
Sie aber hörte nicht auf diese Stimmen und ging weiter ihrem Hobby nach, denn es bewegte sie sehr wohl.

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Dienstag, 9. Oktober 2007
Ich und meine Kette
Als ich geboren wurde, unterschied ich mich in vielen Punkten von den Menschen meiner Umgebung.
Der sonderbarste von ihnen bestand nicht in meinem Aussehen oder meiner Herkunft, wohl aber in einer langen und schweren Kette, die mir um den Fuß gebunden wurde.
Ich erinnere mich noch, wie mich die anderen Kinder deswegen mit abwertenden Blicken betrachteten oder nicht wollten, dass ich mit auf das Klettergerüst stieg. Sie verstanden genauso wenig wie ich, warum ich eine Kette hinter mir her zog, oder wer sie mir umgebunden hatte. Ihre Abneigung begründete sich auch weniger aus der bloßen Existenz der Kette, sondern viel mehr aus der Art, wie sie mich behinderte. Es versteht sich von selbst, dass ich niemals so schnell rennen konnte wie die anderen. Überhaupt brauchte ich für jede Tätigkeit, die mit Bewegungen zu tun hatte, länger als sie.
Sicher, mit der Zeit setzte eine Gewöhnung ein, da sich mir einfach keine Möglichkeit bot, die Kette loszuwerden. Diese Gewöhnung bestand darin, nicht mehr an die Kette zu denken.
Dennoch: Oft genug wurde ich wieder an sie erinnert. Besonders, wenn ich wegen ihr irgendwo hängen blieb, oder nicht schnell genug voran kam. Dann drängte sie mit einem Knall zurück in mein Bewusstsein und wurde plötzlich noch schwerer als zuvor.
Deswegen beschloss ich irgendwann, sie einfach unter meiner Kleidung zu verstecken.
So würde ich sie zwar nicht loswerden, aber immerhin konnte sie jetzt von niemand anderem mehr gesehen werden. Sie war noch genauso schwer wie immer, doch ich wurde nicht mehr auf sie angesprochen.
Wenn ich umfiel oder zu langsam war, dann wusste niemand mehr, woran es lag. Ich denke, dieser Schritt war notwendig, um in meiner Umgebung zu überleben. Ich weiß, dass ich bis zum Tod an die Kette gebunden sein werde und bin jetzt der einzige, der diese Wahrheit mit sich herum trägt.

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Freitag, 28. September 2007
Hallo Delilah…
Ich hoffe, dass es Dir gut geht.
1000 Kilometer hört sich viel an, ich weiß.
Aber wir können reden und uns schreiben, so oft es geht.
Ich komponiere Lieder für Dich, nehme sie auf und schicke sie Dir rüber. Jedes Lied drückt so viel mehr aus als ich Dir an dieser Stelle schreiben kann.
Mach Deine Augen zu, lehne Dich zurück und höre nur auf meine Stimme. Ist es nicht so, als würde ich neben Dir stehen und in Dein Ohr flüstern?
In zwei Jahren bist Du mit der Schule fertig und ich kann die Rechnungen mit meiner Gitarre bezahlen.
Dann führen wir zusammen das Leben, von dem wir jetzt nur träumen können.
Noch lachen unsere Freunde, doch ich mache ihnen keinen Vorwurf.
Sie wissen einfach nicht, was wir fühlen.
Delilah, ich werde Dich so oft besuchen wie es geht.
1000 Kilometer sind viel, ich weiß, aber es gibt Flugzeuge, Züge, Autos, und notfalls laufe ich.
Ich weiß, dass sich all das lohnt, glaube mir, denn es gibt einen einfachen, doch wunderschönen Grund:
Ich liebe Dich.

Re: Hallo Delilah…

hey du na wie gehtz?? also, schule is besser, als ich vorher gedacht habe weißt ja hab mir sorgn gemacht. naja, haben doch lange drüber geredet und so. lerne hier viele neue leute kennen manche sind schon crasy drauf aber eigentlich alle nett besonders basti…
jedenfalls danke für dein lied das gefällt mir gut genauso wie überhaupt dene ganze mail, süß von dir. finde es auch voll gut wenn wir uns weiter schreiben aber weißt du ich hab nachgdacht und finde unsere beziehung kann so einfach nicht klappen weil die entfernung ist einfach zu groß. sei mir bitte nicht böse ich mag dich total auch weiterhin und es ist cool wenn du mich mal besuchn kommst da freu ich mich. hoffentlich kannst du damit umgehen und nochmal echt geiles lied


lg
delilah

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Montag, 24. September 2007
Klartext
Liebe Leser,

der nachfolgende Text enthält ein paar schlimme Wörter.
Das muss er, damit meine Seite bei Google öfter gefunden wird.
Dennoch ist mir klar, dass er einigen Personen – freundlich ausgedrückt - missfallen könnte.
Deswegen entschuldige ich mich hier und jetzt für jedes schlimme Wort im Text ein Mal:
Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung und Entschuldigung!
Was für eine geschmackliche Entgleisung, wirklich unterstes Niveau!
Wie kann so etwas bei einer solch guten Erziehung passieren?
Ich bin echt von mir selber enttäuscht…

Klartext

Als er die Küche betrat, saß sie bereits am Tisch.
„Guten Morgen Schatz“, begrüßte er sie, „wie hast Du geschlafen?“
Sie lächelte ein wenig hinter ihrer Zeitung hervor.
„Ach weißt Du, dafür, dass Du gestern mal wieder keinen hoch bekommen hast, eigentlich ganz gut.“
Auch er musste grinsen.
„Was soll ich machen? Eine Brust-OP lehnst Du ab, und den Speck um die Hüfte kann ich nicht übersehen, selbst wenn ich mir Mühe geben würde…Scheiße, das turnt mich einfach ab.“
Sie senkte die Zeitung und grinste ihn an.
„Das weiß ich doch Schatz, ich bin Dir auch gar nicht böse.
Ich meine, selbst als Du mich noch gevögelt hast, habe ich Dir immer nur was vorgespielt. Du bist einfach ne Niete im Bett, das wissen wir doch beide. Reichst Du mir mal bitte die Butter?“
Er kam ihrer Bitte nach.
„Naja, ich habe mich nie angestrengt, wozu auch?
Meine Sekretärin ist Dir weit überlegen, und vor allem macht sie alle Sachen, die mit Dir nicht gehen…Die Marmelade ist gut, wo hast Du die her?“
Sie überlegte einen Moment, bevor sie ihm eine Antwort gab.
„Warte mal, die hat mir doch Tina empfohlen, die Freundin von Basti. Musst` mir Bescheid sagen, falls ihr wieder Pokern wollt. Wenn er früh rausfliegt, dann lass ich`s mir von ihm nochmal in unserem Schlafzimmer besorgen. Er ist gut, verdammt, er ist richtig gut.
Aber bevor ich`s vergesse: Wann sind wir nochmal bei Deinen Eltern eingeladen?“
Nun war er es, der überlegte, während sie einen Schluck Kaffee trank.
„Diesen Samstag, würde ich sagen, warum?“
Er sah sie fragend an.
„Weißt Du, eigentlich habe ich Dich das nur gefragt, um irgendwas zu fragen. Ich komme so oder so nicht mit. Glaubst Du, ich möchte mir langweilige Klatschgeschichten anhören oder mit Deinen genauso ungebildeten wie strohdummen Eltern über die Neueröffnung von Edeka reden?
Scheiße, wann sterben die endlich?“
Sie bekam keine Antwort, weil er mit seinen Gedanken woanders war.
Viele würden ihre Beziehung vermutlich als krank bezeichnen, und das könnte noch ein Euphemismus sein. Dennoch, selbst der härteste Kritiker muss zugeben, dass diese Beziehung zumindest eines ist:
Ehrlich.

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Montag, 17. September 2007
Lüg mich an!
Die Zeit drängte, denn um Neun sollte die Party beginnen.
„Schatz, freust Du Dich schon?“
Sie stand gerade im Badezimmer und musste daher zurückrufen, damit ihr Mann sie verstand.
„Klar. Wird bestimmt witzig.
Lust verspürte sie wenig, schließlich waren das alles Freunde von ihm.
„Ich meine, das sind zwar alles eher meine Leute, aber letzte Mal hast Du Dich doch auch gut amüsiert…“
Sie steckte sich die Haare hoch, entschied sich aber sofort danach doch für eine offene Frisur.
„Ja, war total lustig….“
…wie sie den Abend auf der Couch gesessen hatte und den aufdringlichen Tobias abwehren musste, während sich ihr Mann und seine Kumpels im Suff die alten Geschichten von der Uni erzählten.
Bei diesem Gedanken fiel ihre Wahl auf einen Zopf, und das schulterfreie Top wich dem Pullover.
„Weißt Du, wenn Du lieber hierbleiben oder was anderes machen willst, dann würde ich das auch verstehen…“
Die Schminke verschwand wieder im Spiegelschränkchen.
„Nee, ist schon in Ordnung. Ich komm` gerne mit.“
Plötzlich stand er in der Tür und sah sie an.
„Wirklich Schatz?“
Sie drehte sich um.
„Aber natürlich.“
Er ging auf sie zu und küsste sie.
„Wie sehe ich aus?“
Sein Zögern war kaum merklich.
„Fantastisch Schatz. Wie immer.“

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Montag, 10. September 2007
Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)
Das Ende der Party lag eine Stunde zurück, mittlerweile lugten die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont. Er saß auf einer Bank nahe der Bushaltestelle, sie ging vor ihm auf und ab.
Schnelle Schritte zeugten von Unruhe, die sie alsbald auch verbal äußerte.
„Wir hätten das Auto nehmen sollen, dann müsste ich mir hier jetzt nicht den Arsch abfrieren.“
Der Vorwurf klang deutlich aus ihrer Stimme hervor.
Er sah auf und grinste.
„Du hast Recht, nächstes Mal machen wir das so. Dann trinke ich eben nichts.“
In Wahrheit hatte er seiner Freundin mehrmals angeboten, mit dem Auto zu fahren. Sie war dagegen gewesen („Zu einer Party kommt man mit dem Bus!“).
Rasch breitete sich Müdigkeit in ihm aus.
Dennoch: Ein Blick nach oben, entlang wunderbar abgestimmter weiblicher Rundungen, und schon verflog sie wieder.
Und erst diese leicht gelockten Haare, wie sie ihrem hübschen und ausdrucksstarken Gesicht den richtigen Rahmen gaben…
„Ich sollte sie öfters von vorne betrachten“, dachte er.
Nach einigen Sekunden kehrte seine Sprache zurück.
„War cool heute. Tolle Stimmung, alle meine Freunde da…“
Plötzlich blieb sie stehen.
„Also so toll fand ich´s nicht. Deine Freunde sind irgendwie so…langweilig…ich weiß auch nicht…ich finde keinen richtigen Zugang zu denen…“
(„Schatz, Du musst echt nicht mitkommen, wenn Du nicht willst…“)
Ein weiterer Blick nach oben, diesmal einige Zentimeter unterhalb des Halses gestoppt.
Er grinste weiter.
„Ok, nächstes Mal machen wir gleich, was Du willst.“
Sie drehte sich um, hatte ihn kaum gehört.
„Der Bus kommt. Wird auch Zeit. Einen Moment länger, und ich wäre erfroren.“
Er stand auf und nahm sie in den Arm.
„Ich liebe Dich.“
Er meinte es ernst.

Anmerkung: Der Titel stammt von einem Lied aus dem neuen Album der
besten Band der Welt.

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Dienstag, 4. September 2007
Eine einfache komplizierte Frage – Der Tragödie zweiter Teil
Sie sah ihm direkt in die Augen, doch lange hielt er ihrem Blick nicht stand. Schnell wandte er sich ab und setzte ein nervöses Lächeln auf. In diesem Moment ahnte sie bereits, wie seine Antwort aussehen würde.
„Hallo, schön Dich mal wieder zu sehen. Komm doch rein.“
Beide hatten sich seit etwa drei Jahren nicht getroffen.
Entsprechend überrascht war er, als sie ihn vorgestern anrief und ihm mit merkwürdig erstickter Stimme mitteilte, dass sie ihn treffen wolle. Ihre früheren Anrufe weckten in ihm jedes Mal ein schwer zu beschreibendes Gefühl, eine merkwürdige Mischung aus Vorfreude und ein wenig Angst. Der letzte Anruf aber brachte ihn nur dazu, seine rechte Augenbraue ein kleines bisschen in die Höhe zu ziehen.
Wo war das Mädchen geblieben, für das er einmal Gefühle empfunden hatte, die man nicht in Worte fassen, sondern nur selber erleben kann?
Ihre Haare trug sie ein wenig länger als früher, und die blonden Strähnchen fand er hübsch. Mochte sich auch ihr Kleidungsstil leicht verändert haben, kniff sie doch noch immer ihre Augen auf diese eigentümliche Art zusammen, wenn sie lachte.
Er nahm zu Kenntnis, dass er all dies nicht vergessen hatte.
Als sie ihm so gegenüber saß, die Beine überschlagen, das rechte über dem linken, wie früher, und ihm erzählte, was sie in den letzten drei Jahren erlebt hatte, da dachte er zum ersten Mal wieder daran, wie sie auseinander gegangen waren.
Man kann es kurz machen, und in einem Satz zusammenfassen:
Er dachte an Liebe, sie an Freundschaft.
Sie waren offen zueinander, und er wollte das mit der Freundschaft wirklich versuchen, seine Gefühle einschließen, um weiter in ihrer Nähe zu bleiben. Doch er konnte sie einfach nicht ertragen, die Männer, die sie ihm vorzog. Die er vom Sehen immer nur flüchtig, vom Charakter her jedoch durch ihre Erzählungen kannte, wenn sie ihm mal wieder abends mit verweinten Augen davon berichtete, wer ihr gerade das Herz gebrochen hatte. Es waren wirklich nicht alles schlechte Kerle, das gab er zu, aber er hasste sie trotzdem, jeden einzelnen von ihnen. So musste er früher oder später den Entschluss fassen, die Stadt und vor allem ein Mädchen, das er liebte, zu verlassen, und zwar mit dem letzten Rest an verbleibendem Selbstwertgefühl.
Jetzt saß sie wieder vor ihm, und hatte soeben aufgehört, ihm zu berichten, was sie in den letzten drei Jahren erlebt hatte.
Dabei konnte ihm die Brüchigkeit in Stimme und Satzbau nicht entgehen.
Nun schaute sie ihn an, zum ersten Mal in seinem Leben mit dem erwartungsvollen Gesichtsausdruck, für den er einmal bereit gewesen war, sich einen Arm auszureißen.
Was sollte er erwidern?
Er wusste, was sie hören wollte.
Es war dasselbe, auf das er bei ihr immer gehofft hatte, auch wenn es nie einen Grund dazu gab.
Also fing er an, ihr von seinen letzten drei Jahren zu erzählen.
Hier war er so ausführlich, wie er nur sein konnte, ohne sie zu langweilen.
So verstrich der Abend.
Am Ende kam es ihr vor, als würde sie nun zum ersten Mal wirklich begreifen, wie er sich vor drei Jahren gefühlt hatte.
Er schloss die Wohnungstür, und obwohl er wusste, dass sie dahinter weinte, konnte er nichts gegen das Grinsen unternehmen, welches sich auf seinem Gesicht ausbreitete.

Der Tragödie erster Teil

Der Tragödie dritter Teil

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Donnerstag, 23. August 2007
Kapitulation
Endlich am Ende des Weges, dank Talent und Disziplin.
Die Erkenntnis ist nicht mehr ein bloßes Erahnen, ein Flackern in der Ferne, sondern greifbar. Ich packe zu und es fühlt sich gut an, weil ich hart dafür gearbeitet habe. Meine geistigen Fertigkeiten sind ausgeprägt, formvollendet, bereit zum Einsatz. Die schweren Eisentüren der Lehranstalt in meinem Rücken, sie werden kleiner mit jedem Schritt, den ich mich über den Hof von ihnen Weg bewege, und ihren Schrecken verlieren sie ebenfalls. Wirklich gerne bin ich nie hier her gekommen, hatte schlaflose Nächte deswegen, wollte auf meinem Weg rasten oder umdrehen, so wie andere.
Aber am Ende wurde ich belohnt, und darüber darf ich glücklich sein. Ich bin jetzt ein erfahrener Mann, mit allen Wassern gewaschen, und als solcher trete ich auf die Straße.

Doch bereits ein Schritt genügt, um eine tiefe Unsicherheit zu wecken, die ich fest in mir verschlossen dachte.
Ich schaue nach oben und werfe Blicke auf die Menschen neben mir. Sie sprechen so anders als gewohnt, ich kann sie nur schwer verstehen. Es frustriert mich, meine Unsicherheit wird Wut. Ich packe einen von ihnen am Arm, will ihn zum Bleiben nötigen, aber er reißt sich ohne Mühe los und verfolgt weiter seinen undurchsichtigen Weg.
Wo bin ich? Die Straßenschilder in dieser Gegend hängen höher als gewohnt, ich kann sie nicht erkennen.
In der Ferne ist eine Bushaltestelle auszumachen, meine Rettung! Ich warte auf den Bus und versuche, nicht auf die anderen zu hören.
Als der Bus kommt, möchte ich einsteigen, um aus dieser Gegend zu verschwinden, sie macht mir Angst mit ihren unverständlichen Menschen und den hohen Straßenschildern.
Aber wie ist doch jede Mühe umsonst, denn die anderen lassen mich einfach nicht in den Bus!
Immer wieder stoßen sie mich weg, ohne mir einen Blick zu schenken. Die Augen immer nur starr geradeaus gerichtet, die Lippen jetzt verschlossen.
Es bleibt keine andere Wahl, ich muss der Straße weiter zu Fuß folgen. Jede Orientierung ist verloren, und die Nacht bricht herein. Ich bin nun alleine auf der Straße, während die Häuserwände neben mir wachsen und alles in ihre Dunkelheit hüllen. Die Müdigkeit kommt, aber für Schlaf habe ich keine Zeit. Wer sagt mir, dass ich in dieser Gegend wieder aufwache?

Endlich, ein Tor, dahinter sieht es freundlicher aus!
Natürlich ist es verschlossen, ich hätte es wissen müssen.
Eine kalte Hand legt sich mir auf die Schulter, ich drehe mich ruckartig um und blicke in ein totes, konturloses Gesicht.
Der Mann mit dem bleichen Gesicht drängt mich zurück, sodass ich zitternd mit dem Rücken am Tor stehe. Dann hebt er seine Hand und ballt sie zur Faust.
Langsam öffnet er sie und ich sehe ihn:
Den Schlüssel für das Tor!
Doch viel zu schnell schließt er die Hand wieder, holt aus und wirft den Schlüssel mit viel Schwung weit über das Tor.

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Sonntag, 12. August 2007
Eine schöne Aussicht
Die Fesseln taten ihm weh, schnürten in die Haut und saßen so eng, dass kein Platz für Bewegungen blieb. Versuche um sie zu lösen gab es am Anfang viele, aber das kurz aufkeimende Gefühl der Hoffnung, sich endlich von ihnen zu befreien, starb schnell.
Er musste auf dem Stuhl sitzen, denn die Seile pressten seine Hände, Arme, Beine, Füße, seinen ganzen Körper an das kalte Holz. Schreien konnte er nicht, der Knebel in seinem Mund war genauso fest wie seine Fesseln.
Den Kopf vermochte er zu drehen, doch wozu?
In diesem Raum existierte wenig, was ihn interessierte.
Wie auch, schließlich befand sich nichts darin, außer seinem Stuhl, ansonsten weißer Teppich, weiße Tapete, und die Leere.
Bald aber viel ihm ein Lichtschein auf, er flackerte auf dem Fußboden und der Wand vor ihm. Die Mauer in seinem Rücken hatte ein Fenster, da konnte er sicher sein.
„Wozu den Aufwand unternehmen, sich umzudrehen, schließlich wirst Du es sowieso kaum schaffen können.“
Am dritten Tag der Entführung erbarmte man sich seiner und stellte den Stuhl ans Fenster. Die Gardine hielt neugierige Blicke von außen ab, doch er konnte jetzt von seinem Stuhl aus alles beobachten, was draußen passierte. Am Anfang genoss er es, endlich wieder Leben zu sehen, und nicht nur die weiße Wand.
Alles war in Bewegung, mit oder ohne Ziel, aber in jedem Fall mit Gefühl.
„Hierfür hätte sich der Aufwand doch gelohnt…“
Er sollte sich irren.
Mit der Zeit tat ihm das Leben vor dem Fenster weh.
Er wollte es nicht mehr sehen, kniff die Augen zusammen,
aber immer noch drang zu viel Licht durch die müden Lider.
„Eine Augenbinde, dafür würde ich alles geben.“
Diesen Wunsch erfüllte man ihm nicht.
Er musste handeln, selber, ohne Hilfe.
Also rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, eine mühevolle, zähe, unbefriedigende Arbeit.
Der Wunsch, die Welt vor dem Fenster nicht mehr sehen zu müssen, wurde stärker.
Irgendwann kippte der Stuhl um, der harte Aufprall auf dem Boden machte ihn bewusstlos.
Als er wieder zu sich kam, brauchte er einen Moment, um die Orientierung zurückzuerlangen.
Das Leben vor dem Fenster befand sich weit abseits seines Blickfeldes.
Er sah nur noch die weiße Wand und dachte bei sich, dass ihm die Aussicht gefiel.

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Montag, 6. August 2007
Ein nettes Gespräch
Neulich, vor einer Tanzfläche gar nicht so weit entfernt:
Zwei wunderschöne Frauen betreiben freundschaftliche Konversation.
Das Lächeln sitzt und ist nicht aus ihren makellosen Gesichtern zu vertreiben.

„Haaaaaallllooooo Süüüüße!!! Naaaaaaaaa, wieeee geeeeeehts Diiiiir???“

(Ist mir scheißegal, wie´s Dir geht, aber irgendwas muss ich jetzt sagen…)

„Naaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa Duuuuuuuu….Schön Dich zu sehen, mir geht’s super, und selber?“

(Scheiße, ich konnte der blöden Schlampe nicht ausweichen, jetzt muss ich mit ihr reden…)

„Mir geht’s auch super…Meeeeeeensch, schau mal, was für ein hübsches neues Kleid!!!“

(Mir geht’s dreckig, Dein Kleid ist hässlich und es macht Dich noch fetter, als Du eh schon bist!)

„Jaaaaaaaa, nicht wahr?! Aber Deins ist auch toll, besonders diese Farben!“

(Ich kann mir im Gegensatz zu Dir solch ein Kleid leisten, weil ich meine Kohle nicht beim Chirurgen lasse…zumindest nicht so viel…
Dein Kleid haste doch aus der Alt-Kleider-Sammlung geklaut…diese Farben…lächerlich!)

„Da fällt mir ein: Ich habe Dir noch gar nicht zu Eurem Sieg auf dem letzten Turnier gratuliert! Glückwunsch, ihr wart großartig!“

(Mist, jetzt muss ich der auch noch gratulieren, dabei habe ich nur schlechter abgeschnitten, weil ich im Gegensatz zu ihr nicht mit dem Wertungsrichter schlafe.)

„Naja, ich fand euch auch gaaaaaaaaaaaanz toll!“

(Haaaahaaaaa, endlich haben wir euch deklassiert, auf den Tag warte ich, seit ich dem Verein beigetreten bin!)

„Och, das ist aber lieb. So, ich werd` dann mal anfangen…“

(Wenn Du uns gleich auf der Fläche siehst, fängst Du innerlich an zu weinen!)

„Jaaaaahaaaa, tolle Idee, ich auch!“

(Deine Titten sind doch gemacht!)

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