Montag, 24. September 2007
Klartext
Liebe Leser,

der nachfolgende Text enthält ein paar schlimme Wörter.
Das muss er, damit meine Seite bei Google öfter gefunden wird.
Dennoch ist mir klar, dass er einigen Personen – freundlich ausgedrückt - missfallen könnte.
Deswegen entschuldige ich mich hier und jetzt für jedes schlimme Wort im Text ein Mal:
Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung und Entschuldigung!
Was für eine geschmackliche Entgleisung, wirklich unterstes Niveau!
Wie kann so etwas bei einer solch guten Erziehung passieren?
Ich bin echt von mir selber enttäuscht…

Klartext

Als er die Küche betrat, saß sie bereits am Tisch.
„Guten Morgen Schatz“, begrüßte er sie, „wie hast Du geschlafen?“
Sie lächelte ein wenig hinter ihrer Zeitung hervor.
„Ach weißt Du, dafür, dass Du gestern mal wieder keinen hoch bekommen hast, eigentlich ganz gut.“
Auch er musste grinsen.
„Was soll ich machen? Eine Brust-OP lehnst Du ab, und den Speck um die Hüfte kann ich nicht übersehen, selbst wenn ich mir Mühe geben würde…Scheiße, das turnt mich einfach ab.“
Sie senkte die Zeitung und grinste ihn an.
„Das weiß ich doch Schatz, ich bin Dir auch gar nicht böse.
Ich meine, selbst als Du mich noch gevögelt hast, habe ich Dir immer nur was vorgespielt. Du bist einfach ne Niete im Bett, das wissen wir doch beide. Reichst Du mir mal bitte die Butter?“
Er kam ihrer Bitte nach.
„Naja, ich habe mich nie angestrengt, wozu auch?
Meine Sekretärin ist Dir weit überlegen, und vor allem macht sie alle Sachen, die mit Dir nicht gehen…Die Marmelade ist gut, wo hast Du die her?“
Sie überlegte einen Moment, bevor sie ihm eine Antwort gab.
„Warte mal, die hat mir doch Tina empfohlen, die Freundin von Basti. Musst` mir Bescheid sagen, falls ihr wieder Pokern wollt. Wenn er früh rausfliegt, dann lass ich`s mir von ihm nochmal in unserem Schlafzimmer besorgen. Er ist gut, verdammt, er ist richtig gut.
Aber bevor ich`s vergesse: Wann sind wir nochmal bei Deinen Eltern eingeladen?“
Nun war er es, der überlegte, während sie einen Schluck Kaffee trank.
„Diesen Samstag, würde ich sagen, warum?“
Er sah sie fragend an.
„Weißt Du, eigentlich habe ich Dich das nur gefragt, um irgendwas zu fragen. Ich komme so oder so nicht mit. Glaubst Du, ich möchte mir langweilige Klatschgeschichten anhören oder mit Deinen genauso ungebildeten wie strohdummen Eltern über die Neueröffnung von Edeka reden?
Scheiße, wann sterben die endlich?“
Sie bekam keine Antwort, weil er mit seinen Gedanken woanders war.
Viele würden ihre Beziehung vermutlich als krank bezeichnen, und das könnte noch ein Euphemismus sein. Dennoch, selbst der härteste Kritiker muss zugeben, dass diese Beziehung zumindest eines ist:
Ehrlich.

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Montag, 17. September 2007
Lüg mich an!
Die Zeit drängte, denn um Neun sollte die Party beginnen.
„Schatz, freust Du Dich schon?“
Sie stand gerade im Badezimmer und musste daher zurückrufen, damit ihr Mann sie verstand.
„Klar. Wird bestimmt witzig.
Lust verspürte sie wenig, schließlich waren das alles Freunde von ihm.
„Ich meine, das sind zwar alles eher meine Leute, aber letzte Mal hast Du Dich doch auch gut amüsiert…“
Sie steckte sich die Haare hoch, entschied sich aber sofort danach doch für eine offene Frisur.
„Ja, war total lustig….“
…wie sie den Abend auf der Couch gesessen hatte und den aufdringlichen Tobias abwehren musste, während sich ihr Mann und seine Kumpels im Suff die alten Geschichten von der Uni erzählten.
Bei diesem Gedanken fiel ihre Wahl auf einen Zopf, und das schulterfreie Top wich dem Pullover.
„Weißt Du, wenn Du lieber hierbleiben oder was anderes machen willst, dann würde ich das auch verstehen…“
Die Schminke verschwand wieder im Spiegelschränkchen.
„Nee, ist schon in Ordnung. Ich komm` gerne mit.“
Plötzlich stand er in der Tür und sah sie an.
„Wirklich Schatz?“
Sie drehte sich um.
„Aber natürlich.“
Er ging auf sie zu und küsste sie.
„Wie sehe ich aus?“
Sein Zögern war kaum merklich.
„Fantastisch Schatz. Wie immer.“

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Montag, 10. September 2007
Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)
Das Ende der Party lag eine Stunde zurück, mittlerweile lugten die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont. Er saß auf einer Bank nahe der Bushaltestelle, sie ging vor ihm auf und ab.
Schnelle Schritte zeugten von Unruhe, die sie alsbald auch verbal äußerte.
„Wir hätten das Auto nehmen sollen, dann müsste ich mir hier jetzt nicht den Arsch abfrieren.“
Der Vorwurf klang deutlich aus ihrer Stimme hervor.
Er sah auf und grinste.
„Du hast Recht, nächstes Mal machen wir das so. Dann trinke ich eben nichts.“
In Wahrheit hatte er seiner Freundin mehrmals angeboten, mit dem Auto zu fahren. Sie war dagegen gewesen („Zu einer Party kommt man mit dem Bus!“).
Rasch breitete sich Müdigkeit in ihm aus.
Dennoch: Ein Blick nach oben, entlang wunderbar abgestimmter weiblicher Rundungen, und schon verflog sie wieder.
Und erst diese leicht gelockten Haare, wie sie ihrem hübschen und ausdrucksstarken Gesicht den richtigen Rahmen gaben…
„Ich sollte sie öfters von vorne betrachten“, dachte er.
Nach einigen Sekunden kehrte seine Sprache zurück.
„War cool heute. Tolle Stimmung, alle meine Freunde da…“
Plötzlich blieb sie stehen.
„Also so toll fand ich´s nicht. Deine Freunde sind irgendwie so…langweilig…ich weiß auch nicht…ich finde keinen richtigen Zugang zu denen…“
(„Schatz, Du musst echt nicht mitkommen, wenn Du nicht willst…“)
Ein weiterer Blick nach oben, diesmal einige Zentimeter unterhalb des Halses gestoppt.
Er grinste weiter.
„Ok, nächstes Mal machen wir gleich, was Du willst.“
Sie drehte sich um, hatte ihn kaum gehört.
„Der Bus kommt. Wird auch Zeit. Einen Moment länger, und ich wäre erfroren.“
Er stand auf und nahm sie in den Arm.
„Ich liebe Dich.“
Er meinte es ernst.

Anmerkung: Der Titel stammt von einem Lied aus dem neuen Album der
besten Band der Welt.

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Dienstag, 4. September 2007
Eine einfache komplizierte Frage – Der Tragödie zweiter Teil
Sie sah ihm direkt in die Augen, doch lange hielt er ihrem Blick nicht stand. Schnell wandte er sich ab und setzte ein nervöses Lächeln auf. In diesem Moment ahnte sie bereits, wie seine Antwort aussehen würde.
„Hallo, schön Dich mal wieder zu sehen. Komm doch rein.“
Beide hatten sich seit etwa drei Jahren nicht getroffen.
Entsprechend überrascht war er, als sie ihn vorgestern anrief und ihm mit merkwürdig erstickter Stimme mitteilte, dass sie ihn treffen wolle. Ihre früheren Anrufe weckten in ihm jedes Mal ein schwer zu beschreibendes Gefühl, eine merkwürdige Mischung aus Vorfreude und ein wenig Angst. Der letzte Anruf aber brachte ihn nur dazu, seine rechte Augenbraue ein kleines bisschen in die Höhe zu ziehen.
Wo war das Mädchen geblieben, für das er einmal Gefühle empfunden hatte, die man nicht in Worte fassen, sondern nur selber erleben kann?
Ihre Haare trug sie ein wenig länger als früher, und die blonden Strähnchen fand er hübsch. Mochte sich auch ihr Kleidungsstil leicht verändert haben, kniff sie doch noch immer ihre Augen auf diese eigentümliche Art zusammen, wenn sie lachte.
Er nahm zu Kenntnis, dass er all dies nicht vergessen hatte.
Als sie ihm so gegenüber saß, die Beine überschlagen, das rechte über dem linken, wie früher, und ihm erzählte, was sie in den letzten drei Jahren erlebt hatte, da dachte er zum ersten Mal wieder daran, wie sie auseinander gegangen waren.
Man kann es kurz machen, und in einem Satz zusammenfassen:
Er dachte an Liebe, sie an Freundschaft.
Sie waren offen zueinander, und er wollte das mit der Freundschaft wirklich versuchen, seine Gefühle einschließen, um weiter in ihrer Nähe zu bleiben. Doch er konnte sie einfach nicht ertragen, die Männer, die sie ihm vorzog. Die er vom Sehen immer nur flüchtig, vom Charakter her jedoch durch ihre Erzählungen kannte, wenn sie ihm mal wieder abends mit verweinten Augen davon berichtete, wer ihr gerade das Herz gebrochen hatte. Es waren wirklich nicht alles schlechte Kerle, das gab er zu, aber er hasste sie trotzdem, jeden einzelnen von ihnen. So musste er früher oder später den Entschluss fassen, die Stadt und vor allem ein Mädchen, das er liebte, zu verlassen, und zwar mit dem letzten Rest an verbleibendem Selbstwertgefühl.
Jetzt saß sie wieder vor ihm, und hatte soeben aufgehört, ihm zu berichten, was sie in den letzten drei Jahren erlebt hatte.
Dabei konnte ihm die Brüchigkeit in Stimme und Satzbau nicht entgehen.
Nun schaute sie ihn an, zum ersten Mal in seinem Leben mit dem erwartungsvollen Gesichtsausdruck, für den er einmal bereit gewesen war, sich einen Arm auszureißen.
Was sollte er erwidern?
Er wusste, was sie hören wollte.
Es war dasselbe, auf das er bei ihr immer gehofft hatte, auch wenn es nie einen Grund dazu gab.
Also fing er an, ihr von seinen letzten drei Jahren zu erzählen.
Hier war er so ausführlich, wie er nur sein konnte, ohne sie zu langweilen.
So verstrich der Abend.
Am Ende kam es ihr vor, als würde sie nun zum ersten Mal wirklich begreifen, wie er sich vor drei Jahren gefühlt hatte.
Er schloss die Wohnungstür, und obwohl er wusste, dass sie dahinter weinte, konnte er nichts gegen das Grinsen unternehmen, welches sich auf seinem Gesicht ausbreitete.

Der Tragödie erster Teil

Der Tragödie dritter Teil

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Donnerstag, 23. August 2007
Kapitulation
Endlich am Ende des Weges, dank Talent und Disziplin.
Die Erkenntnis ist nicht mehr ein bloßes Erahnen, ein Flackern in der Ferne, sondern greifbar. Ich packe zu und es fühlt sich gut an, weil ich hart dafür gearbeitet habe. Meine geistigen Fertigkeiten sind ausgeprägt, formvollendet, bereit zum Einsatz. Die schweren Eisentüren der Lehranstalt in meinem Rücken, sie werden kleiner mit jedem Schritt, den ich mich über den Hof von ihnen Weg bewege, und ihren Schrecken verlieren sie ebenfalls. Wirklich gerne bin ich nie hier her gekommen, hatte schlaflose Nächte deswegen, wollte auf meinem Weg rasten oder umdrehen, so wie andere.
Aber am Ende wurde ich belohnt, und darüber darf ich glücklich sein. Ich bin jetzt ein erfahrener Mann, mit allen Wassern gewaschen, und als solcher trete ich auf die Straße.

Doch bereits ein Schritt genügt, um eine tiefe Unsicherheit zu wecken, die ich fest in mir verschlossen dachte.
Ich schaue nach oben und werfe Blicke auf die Menschen neben mir. Sie sprechen so anders als gewohnt, ich kann sie nur schwer verstehen. Es frustriert mich, meine Unsicherheit wird Wut. Ich packe einen von ihnen am Arm, will ihn zum Bleiben nötigen, aber er reißt sich ohne Mühe los und verfolgt weiter seinen undurchsichtigen Weg.
Wo bin ich? Die Straßenschilder in dieser Gegend hängen höher als gewohnt, ich kann sie nicht erkennen.
In der Ferne ist eine Bushaltestelle auszumachen, meine Rettung! Ich warte auf den Bus und versuche, nicht auf die anderen zu hören.
Als der Bus kommt, möchte ich einsteigen, um aus dieser Gegend zu verschwinden, sie macht mir Angst mit ihren unverständlichen Menschen und den hohen Straßenschildern.
Aber wie ist doch jede Mühe umsonst, denn die anderen lassen mich einfach nicht in den Bus!
Immer wieder stoßen sie mich weg, ohne mir einen Blick zu schenken. Die Augen immer nur starr geradeaus gerichtet, die Lippen jetzt verschlossen.
Es bleibt keine andere Wahl, ich muss der Straße weiter zu Fuß folgen. Jede Orientierung ist verloren, und die Nacht bricht herein. Ich bin nun alleine auf der Straße, während die Häuserwände neben mir wachsen und alles in ihre Dunkelheit hüllen. Die Müdigkeit kommt, aber für Schlaf habe ich keine Zeit. Wer sagt mir, dass ich in dieser Gegend wieder aufwache?

Endlich, ein Tor, dahinter sieht es freundlicher aus!
Natürlich ist es verschlossen, ich hätte es wissen müssen.
Eine kalte Hand legt sich mir auf die Schulter, ich drehe mich ruckartig um und blicke in ein totes, konturloses Gesicht.
Der Mann mit dem bleichen Gesicht drängt mich zurück, sodass ich zitternd mit dem Rücken am Tor stehe. Dann hebt er seine Hand und ballt sie zur Faust.
Langsam öffnet er sie und ich sehe ihn:
Den Schlüssel für das Tor!
Doch viel zu schnell schließt er die Hand wieder, holt aus und wirft den Schlüssel mit viel Schwung weit über das Tor.

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Sonntag, 12. August 2007
Eine schöne Aussicht
Die Fesseln taten ihm weh, schnürten in die Haut und saßen so eng, dass kein Platz für Bewegungen blieb. Versuche um sie zu lösen gab es am Anfang viele, aber das kurz aufkeimende Gefühl der Hoffnung, sich endlich von ihnen zu befreien, starb schnell.
Er musste auf dem Stuhl sitzen, denn die Seile pressten seine Hände, Arme, Beine, Füße, seinen ganzen Körper an das kalte Holz. Schreien konnte er nicht, der Knebel in seinem Mund war genauso fest wie seine Fesseln.
Den Kopf vermochte er zu drehen, doch wozu?
In diesem Raum existierte wenig, was ihn interessierte.
Wie auch, schließlich befand sich nichts darin, außer seinem Stuhl, ansonsten weißer Teppich, weiße Tapete, und die Leere.
Bald aber viel ihm ein Lichtschein auf, er flackerte auf dem Fußboden und der Wand vor ihm. Die Mauer in seinem Rücken hatte ein Fenster, da konnte er sicher sein.
„Wozu den Aufwand unternehmen, sich umzudrehen, schließlich wirst Du es sowieso kaum schaffen können.“
Am dritten Tag der Entführung erbarmte man sich seiner und stellte den Stuhl ans Fenster. Die Gardine hielt neugierige Blicke von außen ab, doch er konnte jetzt von seinem Stuhl aus alles beobachten, was draußen passierte. Am Anfang genoss er es, endlich wieder Leben zu sehen, und nicht nur die weiße Wand.
Alles war in Bewegung, mit oder ohne Ziel, aber in jedem Fall mit Gefühl.
„Hierfür hätte sich der Aufwand doch gelohnt…“
Er sollte sich irren.
Mit der Zeit tat ihm das Leben vor dem Fenster weh.
Er wollte es nicht mehr sehen, kniff die Augen zusammen,
aber immer noch drang zu viel Licht durch die müden Lider.
„Eine Augenbinde, dafür würde ich alles geben.“
Diesen Wunsch erfüllte man ihm nicht.
Er musste handeln, selber, ohne Hilfe.
Also rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, eine mühevolle, zähe, unbefriedigende Arbeit.
Der Wunsch, die Welt vor dem Fenster nicht mehr sehen zu müssen, wurde stärker.
Irgendwann kippte der Stuhl um, der harte Aufprall auf dem Boden machte ihn bewusstlos.
Als er wieder zu sich kam, brauchte er einen Moment, um die Orientierung zurückzuerlangen.
Das Leben vor dem Fenster befand sich weit abseits seines Blickfeldes.
Er sah nur noch die weiße Wand und dachte bei sich, dass ihm die Aussicht gefiel.

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Freitag, 13. Juli 2007
Auf nach Panama - Teil 6
Eine Geschichte ist vorüber, sobald die letzte Seite eines Buches erreicht ist oder der Abspann über die Leinwand flimmert. Jetzt erst kannst Du Dir sicher sein, dass keine weiteren Wendungen mehr folgen. Der Punkt ist erreicht, an dem die Charaktere, die Du vielleicht lieb gewonnen hast, bewunderst oder mit Verachtung strafst, Deiner Beobachtung entzogen werden. Manchmal, mittlerweile eher regelmäßig, gibt es zwar später noch eine Fortsetzung, aber die ist nur dann gut, wenn die vorherigen Teile doch noch nicht richtig zu einem Ende gefunden haben.
Gibt es dieses Ende auch im echten Leben, also in Deinem eigenen? Für einen Moment habe ich das wirklich geglaubt.
Ich stand an einem der zahlreichen Strände von Panama (fragt mich nicht nach dem Namen, den werde ich mir nie merken können), barfuß, denn nur das Gefühl mit den Füßen im Sand zu versinken ermöglichte mir, wirklich zu begreifen, dass wir endlich in Panama angekommen waren. Neben mir Arne, der noch nie so klare Gedanken fassen konnte wie in diesen Minuten. Er ließ zu, dass die Umgebung auf ihn einwirken durfte und in ihm Empfindungen auslöste, die er schon viele Jahre unterdrückte. Aber hier waren wir beide trotzdem nur Nebenfiguren, bloße Beobachter. Die Hauptperson stand einige Meter weiter vorne, ihre Füße vom Meer umspült. Es war die Frau, wegen der wir die Urne unserer Mutter bis an einen Strand nach Panama getragen haben. Auch ihren Namen konnte ich mir weder lange merken noch richtig aussprechen, aber das spielt auch keine Rolle. Hat Mama Arne belogen, indem sie ihm erzählte, dass sie sich in Panama in einen Fischer verliebt hatte? Nein, denn sie nannte diese Person immer nur bei ihrem Namen, und Arne ist einfach nie auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um eine Frau, eine Fischerin, handelte. Aber auch das spielt keine Rolle. Klar, verwundert waren wir allemal, als sich die Tür der kleinen Fischerhütte am Stand öffnete und sich uns eine alte Frau, deren lange schwarze Haare ihr bis ins Knie reichten, unter dem Namen vorstellte, den Arne die ganze Zeit über einem Fischer zugeordnet hatte. Doch jeder Irrtum war ausgeschlossen, was nicht alleine daran lag, dass Arne ihr unser Vorhaben schon lange per Brief mitgeteilt hatte. Es genügte ein einziger Blick in das von harter Arbeit geprägte Gesicht der alten Frau, um ihre ehrliche Freunde zu sehen. Da machte es auch nichts, dass wir in den folgenden Tagen nie viel von dem verstanden, was sie sagte. Das galt auch für das Lied, welches sie sang, als sie vor uns im Wasser stand und die Asche aus der Urne ins Meer fallen ließ.
Es hörte sich einfach wunderschön an, dem Augenblick angemessen, nur wegen seiner Melodie und der Stimme. Glaubt jetzt aber bloß nicht, wir hätten bei Mamas Beerdigung nur in stiller Rührung aufs Wasser geguckt. Nein, das wäre nicht in ihrem Sinn gewesen.
So konnte ich anschließend beim nächtlichen Lagerfeuer endlich eine Erfahrung machen, die ich für unmöglich hielt: Kiffen geht auch ohne anschließendes Übergeben, es kommt einzig und alleine auf die richtige Mischung an! Und selbst Arne wusste zu überraschen:
Er meisterte den einheimischen Fruchtbarkeitstanz (so nenne ich den jetzt einfach, weil er so aussah) in vollkommener Nüchternheit. Viele Stunden später lagen wir drei dann im Sand, als Arne mir eine Frage stellte, dich ich während der letzten Tage fast vollkommen vergessen hatte, obwohl ich mich doch wegen ihr überhaupt erst auf den Weg nach Panama gemachte habe.
„Spricht sie wieder mit Dir, Deine innere Stimme?“
Ich musste eine ganze Weile überlegen, was sicherlich nicht zuletzt an der Wirkung von Panamas bestem Marihuana lag.
Die letzten Tage zogen im Geiste an mir vorbei und mir wurde klar, dass meine innere Stimme während dieser Zeit zwei Mal mit mir gesprochen hatte:
Das erste Mal, als ich auf dem Klo hockte und den Entschluss fasste, meinen Chef mit der brutalen Wahrheit meiner vollständigen und über zu viele Jahre angestauten Verachtung zu konfrontieren (ich beschloss dann, ihm eine Postkarte aus Panama zu schicken…).
Zum zweiten Mal geschah es in dem Moment, indem mein Bruder und ich einer alten glücklichen Frau dabei zusahen, wie sie die Asche der Liebe ihres Lebens ins Meer von Panama schüttete. Da sagte meine innere Stimme etwas, von dem ich mich nicht mehr erinnern kann, es in dieser Form schon mal gehört zu haben:
„Du kannst zufrieden sein mit allem, was Du in den letzten Tagen gemacht und erreicht hast.“
Ich weiß, dass meine innere Stimme mir in Zukunft noch mehr zu sagen hat. Damit ich sie auch höre, werde ich ihr mehr Zeit geben, mit mir zu sprechen. Das selbe gilt für Arne, denn ich glaube, dass ich von ihm eine Menge lernen kann. Für Euch mag meine Geschichte jetzt zu Ende sein, für mich ist sie es noch lange nicht.
Ja, ich bin endlich in Panama angekommen, aber meine Reise hat gerade erst begonnen.

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Freitag, 6. Juli 2007
Auf nach Panama - Teil 5
Wenn man verliebt ist, spielt es da eine Rolle, wo man sich befindet? Ob dabei die Sonne scheint, den ganzen Tag, sodass der Sand am Strand auch abends noch warm ist? Kommt es nicht viel mehr auf die Person an, mit der man im Sand liegt? Der man ins Gesicht blickt, wissend, wie sehr sich der weite Weg gelohnt hat, zu ihr an den Strand, nach Panama.
„Wenn Du hier bist, sind mir die Palmen egal, der weiße Sand, die Sonne.“
Hört sich das jetzt für Dich kitschig an?
Wenn ja, dann liegt es wohl daran, dass Du gerade nicht verliebt bist. Ich kann Dich verstehen. Eigentlich war ich nur einmal wirklich verliebt. Hat aber nicht viel Spaß gemacht, weil ich so gar nicht in ihr Beuteschema passte. Man macht sich dann etwas vor und sucht Hoffnung, wo keine ist (wie immer im Leben). Du kennst das.
Unsere Mutter war auch verliebt. Ebenfalls nur einmal, wie sie immer wieder betonte.
Verliebt in Panama. Nicht in das Land, sondern in einen ihrer Bewohner.
Sie lernte ihn kennen, als sie ihr Weg während des Studiums in dieses ferne und so unbekannte Land verschlug. Reichtum konnte er ihr als Fischer keinen bieten. Wurde sie gefragt, warum sie sich in ihn verliebte, dann antwortete sie stets:
Weil er auch noch an mich denken wird, wenn ich längst wieder zuhause bin.
Und so kam es dann auch. Meine Mutter, Natalie, musste wieder heim.
Vorbei waren sie, die Abende am Strand. Sie boten mit der Aussicht auf das ruhige Meer die richtige Kulisse für Dinge, die verliebte tun möchten.
Das Studium rief, oder besser gesagt:
Die Verpflichtungen.
Hätte sie auf ihr Herz gehört, wäre sie bei ihm am Strand geblieben.
Dort, wo die Sonne…Sagt mal, geht Euch dieses Geschnulze gerade so auf den Sack wie mir?
Ist ja kaum zu ertragen. Aber mein Bruder hat es genau so erzählt. Und das, obwohl seine Augen (und des Öfteren auch Hände) an Mr. Big klebten.
Ich wusste kaum, was schlimmer war:
Ein Mr. Big mit immer weniger Klamotten (er startete seine Show in Polizei-Uniform, wie originell), oder die Erzählung von Arne. Nur einmal unterbrach er sie, und zwar als Mister Big die letzte Hülle fallen ließ. Der Moment also, vor dem mir Angst und Bange war (beruhigt kann ich feststellen: Ich hatte mit etwas größerem gerechnet…).
Arnes Reaktion zu beschreiben fällt nicht leicht. Unglaube zeigte sich in seinem Blick, das leichte Zurücknehmen des Kopfes signalisierte gar Enttäuschung. Plötzlich sprang er auf, brüllte „Fuck“ und verließ den Raum. Dumm, dass ich nun mit Mr. Big alleine zurückblieb. Ich denke, er empfand das Verhalten meines Bruders als persönliche Beleidigung. Jedenfalls sagte er kein Wort mehr, sondern schritt nur schmollend davon. Später bin ich zu meinem Bruder gegangen, um mit ihm über seinen denkwürdigen Abgang zu reden.
Er saß einsam im Auto und dachte intensiv nach. Wie immer bei solchen Gesprächen, bei denen es um Gefühle geht (und Männer reden), fiel mir der Einstieg schwer. Wie sollte ich auch anfangen?
„Tut mir Leid, dass Mr. Big nicht halten konnte, was er versprochen hat???“.
Glücklicherweise kam mir Arne zuvor.
„Ich dachte, dass es bei ihm echt klappen könnte.“
Meine Verwirrung begann zu wachsen.
„Ihr kanntet euch vorher? Hattest Du Gefühle für ihn?“
Arne nahm einen tiefen Zug, und mir wurde wieder schlecht.
Ich musste an das Mädchen denken, dem ich damals ins Gesicht gekotzt hatte.
„Alter, ich bin nicht schwul. Aber ich dachte, ich könnte es werden.“
Nun wusste ich endgültig keine Antwort mehr.
Also machte Arne weiter.
„Bruder, ich sag` Dir jetzt mal was: Ich kannte noch keine Frau, die es wirklich verdient hatte, mich zu besitzen. Einer Schlampe folgte die nächste, die eine schlimmer als die andere. Sobald ich mir sicher sein konnte, dass ich endlich bei der richtigen gelandet war, ließ sie ihre Maske fallen und ich starrte direkt in ihr abschreckendes Gesicht. Da gibt’s nur eine Lösung: Wechsle das Geschlecht Deines Interesses!“
Nun verstand ich den Plan meines Bruders und hielt ihn –zumindest von der Idee her- für gar nicht so blöd.
Arne fuhr fort.
„Dummerweise kommst Du nicht gegen bestimmte Dinge an, die in Deiner Natur festgelegt sind, da kannst Du noch so lange auf nackte Männerkörper starren. Ich bin an das weibliche Geschlecht gebunden, und ich hasse das. Früher oder später verliebst Du Dich wieder, und dann können sie mit Dir machen, was sie wollen.
Verstehst Du, die Frauen wissen einfach, wie sie das ausnutzen können. Seit Eva damals den verbotenen Apfel gegessen hat, haben uns die Weiber in der Summe mehr Ärger gemacht, als sie uns genützt haben…“
Arne philosophierte noch lange weiter, aber meine Gedanken schweiften ab. Mama war also nur einmal im Leben richtig verliebt gewesen, und zwar in einen Mann, den sie in Panama kennengelernt hatte. Langsam begann ich zu begreifen, wie die Urne in Arnes Kofferraum mit unserer Reise nach Panama zusammenpasste. Mein Bruder hatte vor, sie bei dem Menschen zu beerdigen, für den sie immer nach Panama zurückkehren wollte, wenn ihre Lebensumstände es nicht verhindert hätten. So schlecht seine Meinung von Frauen auch war, von der Liebe schien er doch noch einiges zu halten…

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Freitag, 29. Juni 2007
Auf nach Panama - Teil 4
Im Kino hasse ich Cliffhanger. Das Ende wird bewusst offen gelassen, damit der Zuschauer auf jeden Fall auch in die Fortsetzung rennt. Beim letzten Teil meines Reiseberichts habe ich mich genau dieses Tricks bedient, und ein bisschen lässt mich das schon nachdenklich werden: Habe ich etwa Angst, dass sich keiner mehr dafür interessiert, wie meine Reise nach Panama weitergeht?
Wenn´s nach dem Polizisten gegangen wäre, hätte die Unternehmung sofort ein Ende gefunden, nachdem er mitbekommen hat, dass wir unsere tote Mutter im Kofferraum verstecken wollten. Nun ja, man sollte aber nie vergessen, dass jeder Mensch gewisse Bedürfnisse hat, auch ein Polizist. Wie es der Zufall so wollte, deckten sich seine Bedürfnisse mit denen meines Bruders. Sicherlich bekam mein Bruder beim folgenden Tauschhandel nicht den üblichen Geldwert, dafür jedoch etwas für uns beide viel Wichtigeres: Die Freiheit, unseren langen Weg nach Panama nebst toter Mutter im Kofferraum (von der ich bis dahin nichts wusste, aber dazu später mehr) fortsetzen zu können. Doch damit nicht genug: Arne war wirklich ein sehr anständiger Geschäftsmann, und als solcher ließ er es sich nicht nehmen, seinem neuen Kunden eine ganz besondere eigene Kreation zur kostenlosen Verköstigung anzubieten: Selbst gebackene Kekse, die er aus einem versteckten Fach unter dem Fahrersitz kramte. Darüber war der Polizist so erfreut, dass er uns, nachdem sein Lachflash vorüber war (ausgelöst durch einen Stein mit der angeblichen Form von Elvis` Kopf), nur noch eine gute Weiterfahrt wünschte und sich ausdrücklich für alle entstandenen Unannehmlichkeiten entschuldigte.
Ja, das war wirklich lustig.
Im Gegensatz zu dem Polizisten konnte ich aber nicht vergessen, dass mein Bruder offensichtlich unsere tote Mutter im Kofferraum transportierte, ohne mir etwas davon zu sagen.
Natürlich wusste er, dass er mir eine Erklärung schuldete
(Ich war der festen Überzeugung, dass sie auf dem städtischen Friedhof lag.).
Deswegen schlug er vor, einen Flieger später zu nehmen und an einem ruhigen Ort über alles zu reden. Ich war einverstanden, doch im Nachhinein bereue ich ein wenig, ihn diesen „ruhigen Ort“ ausgesucht haben zu lassen.
Ich meine, es ist schwer vorstellbar, aber die Definitionen von „ruhig“ können durchaus sehr weit auseinandergehen. In Gedanken träumte ich mich zum Beispiel an einen Ort abseits vom Lärm der Zivilisation, etwa ans Ufer eines abgelegenen Sees. Einfach ein wenig Ruhe bekommen, das wäre nicht schlecht gewesen. Schließlich hatte ich in den letzten Tagen mit groben Beleidigungen meines Chefs die Kündigung erwirkt, meinen dauer-kiffenden Bruder wiedergetroffen, ihm eingewilligt, total überstürzt eine völlig unorganisierte Reise nach Panama anzutreten, nicht verhindert, dass Arne einen Staatsdiener mit Marihuana gefügig machte und gerade realisiert, dass sich die Überreste meiner Mutter im Kofferraum des Autos meines Bruders befand. Also, ein wenig Ruhe hätte jetzt nicht geschadet.
Aber könnt Ihr Euch denken, wie viel Ruhe man bekommt, wenn man versucht, mit seinem Bruder zu reden, während dieser damit beschäftigt ist, in unregelmäßigen Abständen Geldscheine in intime Körperstellen eines aus seiner Sicht offenbar äußerst attraktiven Strippers zu stecken? Ja, richtig verstanden, STRIPPER, und nicht Stripperin! Ihr ahnt es bereits, Arnes Ort der Ruhe lag weder an einem See noch war er ein gemütliches Restaurant. Er hörte viel mehr auf den Namen „Maison Derrière“. Dessen Besitzer schien meinen Bruder irgendwie ziemlich gut zu kennen, und so kam es, dass wir uns bald in einem exklusiven Hinterzimmer dieses Hauses befanden, nur Arne, Ich, Champagner und ein ungemein bequemes Sofa. Ach ja, und natürlich Mr. Big, der sich alsbald zu uns gesellte. Es ist fast unmöglich zu beschreiben, wie Arne es schaffte, mir in dieser Umgebung die Geschichte unserer Mutter zu erzählen. Die ganze Zeit über konnte ich die eigentliche Bequemlichkeit des Sofas oder den ohne Frage ausgezeichneten Champagner nicht richtig genießen.
Dass mein Bruder offenbar mehr Gemeinsamkeiten mit dem schwulen Engel aus dem letzten Teil des Reiseberichts hatte, war die eine Sache. Aber ich wollte auf keinen Fall mit eigenen Augen erfahren müssen, wie Mr. Big zu seinem Spitznamen kam. So war ich während Arnes Erzählung überwiegend damit beschäftigt, darauf zu hoffen, dass mein Bruder fertig wurde, solange die letzte Hülle bei Mr. Big noch nicht gefallen war (Nein, ich bin nicht neidisch verdammt nochmal, es gibt schließlich wichtigere Kriterien als die Größe…Wobei die auch gar nicht mein Problem ist…Nur nützt sie nichts ohne die richtige Technik…die ich selbstverständlich beherrsche… ).
Was mir Arne über unsere Mutter erzählte, wenn er sein Geld gerade nicht zu Mr. Big steckte?
Warum sich ihre Überreste im Kofferraum seines Autos befanden? (Gemeint ist eine Urne, soviel sei hier verraten.)
Was die Antworten auf diese Fragen noch mit Panama zu tun haben?
Das erzähle ich Euch nächstes Mal.
Ihr merkt schon: Irgendwie stehe ich doch auf Cliffhanger…

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Freitag, 22. Juni 2007
Auf nach Panama - Teil 3
Vorurteile machen das Leben leichter.
Sie ersparen uns die Mühe, das Gegenüber erst in langwierigen Gesprächen kennenlernen zu müssen und erlauben uns stattdessen, eine Person in Sekundenbruchteilen zu klassifizieren, vom Äußeren her. Für einen Menschen mit Vorurteilen gegenüber anderen Menschen sind diese nicht haltlos und einseitig, sondern natürlich stets durch eigene Erfahrungen belegt.
Leute hingegen, die von sich behaupten, frei von Vorurteilen zu sein, bekommen immer in dem Moment ein Problem, wenn sich gewisse Vorurteile doch bestätigen. Dann taucht über der einen Schulter plötzlich das kleine Teufelchen auf und ruft zum Engelchen auf der anderen Schulter hinüber: „Ich hab´s ihm gleich gesagt, aber er musste ja auf Dich hören, Du liberale Schwuppe!“
(Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Weder sorgte meine Reise nach Panama bisher für Halluzinationen, noch stehe ich auf kleine schwule Engel…Das heißt jetzt aber nicht, dass ich was gegen Schwule im Allgemeinen bzw. schwule Engel im Besonderen habe… Nein, ich bin tolerant und liberal und frei von Vorurteilen…aber es bringt mich zu der Überlegung, wie wohl die Kirche zum Thema Homosexualität unter Engeln denkt…naja, ich schweife wieder ab…)
Bei mir jedenfalls trat so ein Fall ein, als Arne (so heißt mein Bruder) den Polizisten, der uns durch energisches Winken mit seiner Kelle zum Halten nötigte, obwohl wir uns doch in wichtiger Mission auf dem Weg zum Flughafen befanden, mit den Worten „Friede sei mit Dir, mein uniformierter Freund“ begrüßte. Da sitzt Du dann daneben und denkst Dir:
„In Ordnung, wenn der Bulle nicht schon aufgrund des psychedelischen Farbstils von Auto und Fahrer bzw. dessen Frisur in die Lage versetzt wurde, die Drogen förmlich riechen zu können, dann doch spätestens nach dieser Begrüßung. Kiffer sind also tatsächlich weniger dazu in der Lage, die logischen Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen.“
Die Antwort des uniformierten Freundes beschränkte sich folglich auch auf die energische Aufforderung, dass mein Bruder sein Fahrzeug umgehend verlassen und sich wegen dringenden Verdachtes einer Drogenkontrolle unterziehen musste.
Ich betrachtete das Schauspiel mit einiger Gelassenheit, weil ich sicher sein konnte, dass Arne weder groß zu schnell gefahren war, noch in den letzten Stunden intensiv nachgedacht hatte (eine seiner zahlreichen Umschreibungen für „kiffen“.).
Und tatsächlich konnte meinem Bruder kein Drogenkonsum nachgewiesen werden, was ihn wiederum einen Apell an den Polizeibeamten richten ließ, demnach sich „der uniformierte Staatssklave in Zukunft doch bitte weniger von Vorurteilen lenken lassen solle“.
Mein Grinsen über Arnes nicht von der Hand zu weisende rhetorische Begabung verschwand jedoch gleich, als der Polizist ihn aufforderte, jetzt bitte den Kofferraum zu öffnen.
Da erschien es wieder, das kleine Teufelchen (bitte nur als Metapher verstehen) und erzählte mir von Drogen im Kofferraum meines Bruders.
Überzeugen konnte mich diese Theorie aber zunächst deshalb nicht, weil ich Arne für intelligent genug hielt, seinen Stoff im Auto vernünftig zu verstecken. Nachdem er den Kofferraum dann widerwillig geöffnet hatte, säte die aufgeregte Stimme des Polizisten aber doch erhebliche Zweifel in mir.
Zur allgemeinen Erheiterung und auch ein bisschen aus Faulheit versuche ich jetzt mal, das folgende Gespräch zwischen Arne und dem Polizisten so detailgetreu wie möglich wiederzugeben, aber danach ist Schluss für heute.
„Was liegt dort unter der Decke?“
„Das geht Sie gar nichts an, mein grüner Freund.“
„Entfernen Sie unverzüglich die Decke und zeigen Sie mir, was sich darunter verbirgt.“
„Die Zahl der autoritären Schwingungen wird mir gerade eindeutig zu hoch…“
Voller Ungeduld riss der Polizist die Decke selber beiseite.
Darunter lag ein Paket.
„Öffnen Sie sofort das Paket, oder ich tue es!“
„Wirklich Mann, ich mag Sie, aber das will ich echt nicht machen.“
„Wieso nicht, was ist in dem Paket?“
Mir wurde das Sitzen nun zunehmend unbequemer und ich stellte zum ersten Mal in Frage, ob es eine gute Idee war, mit meinem Bruder nach Panama zu reisen. Die Zweifel verwandelten sich in Gewissheit, als Arne dem Polizisten antwortete. Da war er, der Moment, in dem ich mich zum ersten Mal an meinen Schreibtisch zurückwünschte, mit all seiner Langeweile und Sicherheit. War das meine innere Stimme, die endlich zu mir sprach?
Also, hört oder besser gesagt lest den Satz meines Bruders, der unserer Reise nach Panama neuen Antrieb verlieh
(Schon bemerkenswert, welche Wirkung ein einzelner Satz auf das Innerste eines Menschen haben kann.):

„Du willst wissen, was in dem Paket ist?
Ok, Du autoritätsgeiler grüner Wichtigtuer, ich sage es Dir, damit diese ganzen negativen Energien hier mal aufhören.
Verdammt, da ist das drin, was von meiner hochgeschätzten Mama noch übrig ist, und eines kann ich Dir versichern:
Ihr hätte Dein diktatorischer Tonfall ganz und gar nicht gefallen!“

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