Samstag, 17. März 2007
Willkommen in der schwarzen Parade!
Als ich noch klein war, vielleicht gerade acht Jahre alt, da kam mein Vater einmal zu mir ins Zimmer, und ich merkte sofort, dass etwas Außergewöhnliches passieren würde, weil sein Gesicht sehr ernst aussah. Er sagte mir, dass es an der Zeit sei, meine besten Sachen anzuziehen, damit ich ihm in die Stadt folgen kann.
Ich fragte ihn, warum es nötig ist, sich dafür hübsch zu machen. Da antwortete er: „Junge, ich zeige Dir heute in der Stadt etwas ganz Besonderes: Die schwarze Parade.“
Anschließend riet er mir noch, mich zu beeilen, und verließ das Zimmer.
Verwirrt stand ich da, in der Mitte meines Zimmers, doch nach kurzer Zeit entschied ich, den Anweisungen meines Vaters zu folgen. Nicht, dass ich ein Kind gewesen wäre, welches seinem Vater nie widersprach. Nein, ich war ganz einfach neugierig, was es mit der schwarzen Parade auf sich hatte.
Als ich mit meinem Vater das Haus verließ, bemerkte ich, wie ungewöhnlich still meine Mutter an diesem Tag war und wie besorgt sie dreinblickte. Mein Vater jedoch ließ sich davon nicht beirren.
Auf dem Weg zur Stadt stellte ich ihm die Fragen, die mich beschäftigten.
Wer läuft da mit?
Wie sieht sie aus?
Warum findet sie statt?
Aber er murmelte nur „wirst Du alles sehen“ und ging weiter.
Nach einigen Minuten blieb er stehen. Wir befanden uns auf der nördlichen Seite der großen Hauptstraße, die durch die ganze Stadt führte und wenige Meter weiter hinter einem Knick verschwand. An beiden Seiten der Straße hatten sich Leute versammelt, sie sprachen kaum und blickten alle nur zum Ende der Hauptstraße.
Ich weiß noch, dass ich die Trommeln hörte, bevor ich auch nur ein einziges Mitglied der schwarzen Parade sah.
Dieses gleichmäßige Trommeln war erst ganz leise und kam dann immer näher. Je lauter es wurde, desto mehr faszinierte es mich.
Kaum zu glauben, aber noch bevor die schwarze Parade um die Ecke bog, hatte sie mich begeistert. Als es dann endlich soweit war, fühlte es sich an, als hätte ich mein ganzes Leben auf diesen Moment gewartet.
„Papa, da kommen sie“, schrie ich.
Doch er packte mich nur am Arm und forderte mich eindringlich auf, still zu sein.
Es fällt mir schwer, an dieser Stelle in Worte zu fassen, wie die schwarze Parade aussieht. Sicherlich kann sie dem unbedarften Beobachter Angst machen, mit all ihren in schwarze Gewänder gehüllten Mitgliedern, die mit absolut präzisem Gleichschritt marschieren. Einige tragen groteske Masken, andere zeigen ihre ausdruckslos-bleichen Gesichter. Es ist, als hätte der Tod diesen Leuten noch einmal gestattet, für einen letzten Marsch auf die Erde zurückzukehren.
Wie ich nach und nach mitbekam, konnte man meinen Vater nicht gerade zu einem Anhänger dieser Parade zählen.
Er drängte mich schon nach fünf Minuten dazu, die Hauptstraße wieder zu verlassen und nach Hause zurückzukehren.
Doch ich wollte nicht. Bereits diese kurze Zeit reichte aus, um mich in einen Anhänger der schwarzen Parade zu verwandeln.
Mittlerweile ist mir klar, dass Vater diesen Umstand immer befürchtet hat.
Ich hingegen besuchte die schwarze Parade von da an zuerst heimlich und später ganz offen, so oft ich es konnte.
Vieles musste ich loslassen und Dinge tun, deren genaue Beschreibung ich an dieser Stelle aussparen möchte.
Aber meine Mühen haben sich gelohnt, denn nun stehe ich da, wo ich immer hinwollte: An der Spitze.
Meinen Eltern gefiel das überhaupt nicht, aber sie waren keineswegs dazu in der Lage, mich daran zu hindern.
Einmal hörte ich kurz vor dem Weggehen, wie meine Mutter in der Küche zu meinem Vater sagte, sie habe von Anfang an gewusst , dass es besser gewesen wäre, mir die schwarze Parade nicht zu zeigen.
Seine Antwort klang so bitter wie überzeugt:
„Wir können ihn nicht vor Allem beschützen, und besonders nicht vor ihr.
Er hätte ihr von alleine widerstehen müssen, was er leider nicht geschafft hat.
Ich dachte immer, dass der Junge stärker ist.“

Mir macht es nichts aus, dass mein Vater mich für schwach hält.
Er ist einfach ignorant, hat die falsche Perspektive und darum nicht die entfernteste Vorstellung davon, wie stark mich die schwarze Parade gemacht hat!

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Samstag, 10. März 2007
Weg ins Paradies
Er wachte nun schon das dritte Mal hintereinander zu einer Zeit auf, als die Nacht das Haus noch in tiefe Dunkelheit hüllte und nur der Mond ein wenig milchiges Licht in das Zimmer warf.
Die Aufregung in ihm machte es unmöglich, dass er wieder einschlief.
Er probierte es, drehte sich von einer Seite auf die andere, aber es kam ihm vor, als wollte ihn sein Bett nicht mehr. Angesichts des heutigen Ereignisses verwunderte ihn die innere Unruhe keineswegs. Sein Training war lang und hart und zwang ihn zu einigen Opfern. Stand er der Aktion anfangs auch noch ablehnend gegenüber, hatte er sie schon bald verinnerlicht und am Ende der Ausbildung sein ganzes Leben darauf ausgerichtet, nur auf diesen einen Tag. Zumindest glaubte er das in den meisten Momenten. Die wenigen Zweifel, die trotzdem blieben und manchmal, ganz unerwartet und vor allem unerwünscht auftauchten, konnte er kontrollieren.
Dabei half ihm besonders die in Aussicht gestellte Belohnung.
Er würde in aller Frühe aufbrechen, ohne seine Eltern zu wecken, denn sie hatten ihm schon gestern alles Gute gewünscht. Am heutigen Tag bekam er die Chance, sie Stolz zu machen.
Ein wenig waren sie das ohnehin schon, schließlich galt er als hervorragender Schüler,
in der Nachbarschaft schätzte man ihn als hilfsbereiten Jungen, und jeder, der ihn kannte, lobte sein zurückhaltend-charmantes Auftreten.
Ihm war das bewusst, doch ausnutzen würde er es nie.
Er blickte aus dem Fenster, hinein in den leuchtenden Vollmond, und hoffte, dass seine Zweifel in den nächsten Stunden nicht zurückkehren würden.
So saß er da, abwechselnd betend und denkend, bis der Mond von einer langsam aufgehenden Sonne verdrängt wurde.
Dann stand er auf, nahm seinen Rucksack, und verließ ohne zurückzublicken das Haus. Sein Weg führte ihn Richtung Innenstadt, zu einer Bushaltestelle.
Als er sein Dorf fast hinter sich gelassen hatte, hörte er in einiger Entfernung eine Stimme, die seinen Namen rief.
Er wusste, wem sie gehörte, und deshalb entschied er sich, stehen zu bleiben.
Wenige Sekunden später stand das Mädchen, dessen Stimme seinen Namen so eindringlich gerufen hatte, keuchend vor ihm.
„Willst Du einfach gehen, ohne Dich zu verabschieden?“
Er sah sie nicht an.
„Dachte, ich hätte es gestern getan.“
Ihre Stimme wurde energischer.
„Ok, davon habe ich wohl nichts mitbekommen.“
Auf seinem Gesicht zeichnete sich nun ein entschuldigendes Lächeln ab.
„Das tut mir Leid. Aber weißt Du, es ist nicht so, dass wir uns nie wiedersehen werden.“
Sie trat jetzt ein wenig näher an ihn heran.
„Du musst nicht tun, was Du vorhast. Glaube mir bitte, es gibt andere Möglichkeiten, es gibt immer andere Möglichkeiten.“
Sein Lächeln verschwand, der Blick wurde härter.
„Nein, manchmal nicht. Du verstehst das nicht, aber ich mache Dir deswegen keinen Vorwurf.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ sie stehen. Es fiel ihm nicht leicht, weil er sie mochte, aber er wollte nicht, dass sie wieder die verhassten Zweifel in ihm weckte.
Nachdem er endlich die Bushaltestelle erreicht hatte, stellte er sich direkt neben das Haltestellenschild und wartete. Mit der Zeit füllte sich der Platz neben ihm mit Menschen.
Er konnte froh sein, wenn er noch einen Sitzplatz bekam.
„Habe ich etwas mit diesem Leuten gemeinsam, außer, dass wir alle in den selben Bus möchten?“
Als der Bus kam, wollte er als erster einsteigen. Doch ein kleines Mädchen, welches die Busfahrt wohl gar nicht mehr erwarten konnte, drängelte sich vor ihn und stieß ihm dabei gegen sein Bein. Die Mutter folge ihr und entschuldigte sich sofort leicht verlegen für ihre kleine Tochter.
„Das macht doch nichts“, entgegnete er lächelnd,
„ich bin in dem Alter auch am liebsten Bus gefahren.“
Er setzte sich auf einen Platz am Fenster, wohl um noch ein wenig die aufwachende Stadt zu beobachten. Die Menschen außerhalb des Busses gingen weiter ihrem Tagesgeschäft nach, für ihn wirkte es ziellos, so vollkommen ohne Sinn.
„Ich kann mich glücklich schätzen, meinem Leben eine Richtung gegeben zu haben.“
Als er zurück in den Bus schaute, bemerkte er das kleine Mädchen, welches ihn eben angerempelt hatte und nun auf dem Platz direkt gegenüber saß.
Ihre kleinen Hände umklammerten ein Buch, auf dessen Vorderseite
„Die schönsten Märchen für Kinder“ stand.
Es erinnerte ihn dunkel daran, wie er früher auch ein paar von ihnen gelesen hatte, doch gefallen haben ihm immer nur die mit Happy End.
Die großen, interessierten Augen des kleinen Mädchens rissen ihn aus seinen Gedanken, in dem sie ihn unaufhörlich anblickten.
Je länger sie das taten, desto mehr kamen seine Zweifel zurück.
Es gab nichts, vor dem er sich mehr fürchtete und er wusste, dass die Zeit zum Handeln gekommen war.

Sie stellte den Fernseher ab und setzte sich auf die Couch.
Eine Träne lief ihr über das Gesicht, doch sie wischte sie nicht weg, denn schließlich war sie alleine in der Wohnung.
In den Nachrichten hatten sie wieder von der Explosion eines Busses in der Innenstadt berichtet, bei dem alle Fahrgäste umkamen.
Die genauen Ursachen waren noch ungeklärt, aber die Behörden gingen von einem Selbstmordanschlag aus.
Sie dachte, dass sie sich an die Fernsehbilder mit dem ganzen Chaos der umherlaufenden Rettungsleute, dem Blut und den zerfetzten Leichen gewöhnt hatte, zumal ihr die Bilder nicht nur aus dem Fernsehen, sondern auch aus ihrem Alltag vertraut waren.
Aber dieses Mal war es irgendwie persönlicher, näher und echter.
Trotzdem ließ sie ein wenig Hoffnung zu, gerade soviel, um nicht vollkommen zu verzweifeln. Und obwohl sie wusste, wie irrational sie sich damit verhielt, wollte sie ihre Hoffnung erst aufgeben, wenn er bis morgen nicht zurückgekehrt sein würde.
„Hoffentlich haben Deine Zweifel dafür gesorgt, dass Du Dich richtig entschieden hast.
Hoffentlich hast Du nie aufgehört zu zweifeln.“

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Samstag, 3. März 2007
Lügenmärchen
„Sind wir gleich da?“
Eine Frage, wie sie wohl nur Kinder stellen können.
Voller Ungeduld, Naivität, aber auch Neugierde, und darum konnte sie ihrer Tochter nicht böse sein.
Die Kleine, gerade neun Jahre alt geworden, saß rechts neben ihr auf dem Beifahrersitz.
„Süße, wir sind gleich da, es kann nicht mehr lange dauern.“
Damit wollte sich das Mädchen jedoch ganz und gar nicht zufrieden geben.
„Kannst Du denn nicht schneller fahren?“
Natürlich konnte sie das. Aber ob sie es auch wollte, stand auf einem anderen Blatt.
„Wenn ich schneller fahre, werden wir vielleicht einen Unfall haben. Willst Du das?“
Die Tochter antwortete diesmal nicht.
Ihre Mutter begann nun, sich wieder mehr auf den Verkehr zu konzentrieren, aber schnell kreisten die Gedanken erneut in eine andere Richtung. Wie immer konnte es die Kleine kaum erwarten, bei ihrem Opa anzukommen. Gerne brachte ihre Mutter sie nie dorthin, doch es gab im Moment keine andere Möglichkeit.
Er erzählte seiner Enkelin jedes Mal Geschichten, voller Drachen, Trollen und Elfen, die er angeblich während seiner Jugend erlebt hatte.
Seine Tochter wiederum war davon überzeugt, dass solche Lügengeschichten nichts für die unschuldigen Ohren ihrer kleinen Tochter seien. Doch hier lag nur ein Teil des Grundes für die Ablehnung, die sie gegenüber der Aussicht empfand, die Kleine für ein paar Stunden bei ihrem Opa zu lassen. Den anderen Teil gab sie vor sich selbst nur selten zu, und so beendete sie auch diesmal ihre Gedanken mit einem energischen Blick auf den Straßenverlauf vor ihr.
Bis zu dem Moment, in dem sie in die Straße am Wald einbogen, an deren Ende sich das kleine Haus des Opas befand, hatte die Kleine nichts mehr gesagt.
Ein wenig bereute ihre Mutter somit, dass sie vorhin so unfreundlich zu ihrer kleinen Tochter gewesen war.
„Hör mal Schatz, ich weiß, dass Du Dich auf Opa freust, besonders auf seine Geschichten. Aber weißt Du, er ist schon ein sehr alter Mann, und alte Menschen bringen Dinge oft durcheinander. Es gab niemals Trolle, Elfen oder Zwerge, egal, was er Dir erzählt. Es sind nur Märchen, ohne Bedeutung.“
Ihre Tochter nickte stumm, anschließend verließen beide das Auto.
Der Weg zum Haus führte durch einen Garten, der mindestens genauso verwildert war, wie der Wald auf der anderen Seite der Straße.
Von ihrem Opa wusste die Kleine, dass hinter all dem Gestrüpp ein Kobold wohnte, und zwar der letzte seiner Art. Dummerweise macht ihn das Sonnenlicht krank, weswegen der Opa ihm versprochen hatte, den Garten zuwachsen zu lassen.
Zum Dank zeigte ihm der Kobold eines Tages, wie man einen Trank herstellt, der einem auch im hohen Alter noch Gesundheit verschafft.
„Deshalb konnte Opa so alt werden“ dachte sich die Kleine.
Zur Begrüßung stand er wie gewöhnlich schon am Fenster und winkte den beiden zu.
Als er aber die Tür öffnete, befand sich zunächst nur seine Tochter davor, die ihn mit einem kühlen „Hallo“ begrüßte.
Viel wichtiger und für den Opa schon lange bekannt war jedoch ihr Blick, mit dem sie ihn kurz aber kritisch musterte.
„Es ist alles in Ordnung, mach Dir keine Sorgen.“
Obwohl nicht hinlänglich überzeugt, trat sie nun einen Schritt zur Seite, damit die Enkelin ihren Opa begrüßen konnte. Anschließend küsste sie die Kleine auf die Stirn und verabschiedete sich.
Nun war die Kleine mit ihrem Opa alleine.
Sie folgte ihm wie immer in das Wohnzimmer, mit dem alten Kamin und dem noch viel älteren Sessel, in dem der Opa Platz nahm. Sie hingegen setzte sich auf die Couch, und zwar nahe genug, um an den Tisch zu kommen, auf dem die Plätzchen standen.
„Das Rezept hat mir der Kobold verraten, als Entschuldigung dafür, dass er vor einigen Nächten draußen so einen Krach gemacht hat. Ich glaube, der dreht allmählich durch. Naja, der Jüngste ist er nicht mehr, und außerdem hat er ja keinen Artgenossen bei sich. Wahrscheinlich ist er einfach einsam, der arme Kerl.
Aber die Plätzchen sind spitze, probier mal.“
Doch die Kleine sagte nur „nein danke“ und rutschte zurück auf die Couch.
Der Blick ihres Opas wurde besorgter.
„Was hast Du denn?“
Die Kleine wollte erst nichts erwidern, tat es schließlich aber doch.
„Mama sagt, dass Du Lügengeschichten erzählst. Es gibt nämlich in Wirklichkeit gar keine Kobolde.“
Nun musste ihr Opa ein wenig lächeln.
„Nun, mich wundert nicht, dass Deine Mutter so denkt. Sie hat ja auch nie welche gesehen, weil der Kobold da draußen der letzte ist, den es gibt. Früher, als ich noch jung war, ein paar Jahre älter als Du jetzt, da war das anders. Weißt Du, es ist so:
Ich erinnere mich nicht mehr an alle Details, da ich alt bin. Aber die ganzen Geschichten, die ich Dir erzähle, beinhalten trotzdem immer ein wenig Wahrheit.
Und weil Du meine kluge Enkelin bist, weiß ich, dass Du sie verstehst.“
Jetzt musste die Kleine wieder lächeln, und kurz darauf verschwand das erste Plätzchen in ihrem Mund.
„Also, was ist, willst Du noch eine Geschichte von früher hören?“
Da sie mit vollem Mund nicht sprechen wollte, nickte sie nur.
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und begann zu erzählen, wie es nur Opas können.
„Einmal, da schickte mich mein Vater in die Stadt, um dort etwas zu besorgen, was er unbedingt brauchte. Ich habe vergessen, was es war, aber das ist auch egal.
Der Weg zur Stadt führte durch einen ungemein großen und vor allem sehr dicht bewachsenen Wald. Deshalb sagte mir mein Vater, dass ich Karte und Kompass mitnehmen sollte, um den richtigen Weg nicht zu verlieren. Blöderweise fiel mir beides irgendwann im Wald aus der Tasche, ohne dass ich es bemerkte. So stand ich also da, mitten im Wald, alleine, und hatte keine Ahnung mehr, welchen Weg ich nehmen sollte.
Du kannst Dir ja denken, dass ich Angst bekam, denn zu allem Überfluss begann es auch noch langsam dunkel zu werden.
Ich irrte Stunden lang umher, bis ich zu einer Höhle kam, die in eine Felswand führte. Da es mittlerweile längst Nacht geworden war, beschloss ich, dort zu schlafen. Doch als ich einige Schritte in die Höhle gemacht hatte, hörte ich hinter mir ein Geräusch. Es klang so, als ob etwas sehr Großes in Richtung Höhle lief und dabei alles platt trampelte, was ihm unter die Füße kam.“
An dieser Stelle der Geschichte bemerkte der Opa, dass seine Enkelin aufgehört hatte, die Plätzchen zu essen und ihre Augen geweitet waren.
„Keine Angst mein Schatz, so schlimm, wie es sich anhörte, wurde es für mich gar nicht. Die Schritte kamen zwar von einem Riesen, aber so groß war der noch nicht, weil er erst höchstens 200 Jahre auf dem Buckel hatte. Und Du weißt ja, dass das für einen Riesen nicht viel ist.“
Plötzlich unterbrach ihn seine Enkelin.
„Hat der Riese Dich aus seiner Höhle geschmissen?“
Ihr Opa überlegte einen Moment.
„Ich habe zwar noch gar nicht erwähnt, dass es seine Höhle war, aber Recht hast Du natürlich trotzdem. Ja, er wollte mich rausschmeißen. Ich aber erklärte ihm, dass ich mich verlaufen habe und dringend einen Platz zum Schlafen brauchte.
Da schlug mir der Riese einen Wettkampf vor. Wenn es mir gelänge, ihn zu Fall zu bringen, würde er mir einen Trank geben, mit dem ich den richtigen Weg aus dem Wald herausfinden könnte. Allerdings würde der Riese dabei alles daran setzen, mich mit seinen großen Händen zu zerquetschen.
Aber da ich sowieso keine anderen Möglichkeiten hatte, ließ ich mich auf einen Wettkampf mit ihm ein. Kannst Du Dir denken, wie ich ihn besiegt habe?“
Die Kleine schüttelte ihren Kopf, vollkommen gebannt von der Geschichte.
„Mir war natürlich klar, dass meine Kraft nicht ausreichte, um den Riesen zu Fall zu bringen.
Als ich ihm jedoch ein paar Mal nur gerade so ausweichen konnte, da kam mir endlich die rettende Idee: Ich begann, so schnell ich konnte um den Riesen herum zu rennen, immer in die selbe Richtung. Und da er nicht der hellste war, drehte er sich mit mir. Nach etwa zehn Minuten wurde dem Riesen dann schwindelig und er fiel einfach um. Ich musste ganz schön aufpassen, dass er mich nicht unter sich begrub.
Danach konnte ich ihm dann endlich den Trank aus der Hose ziehen. Ich merkte, dass der Riese nicht gelogen hatte, denn schon nach einem Schluck wusste ich plötzlich, wohin ich gehen musste.“
Hier klatschte die Kleine vor Freude und Erleichterung in die Hände.
Der Gesichtsausdruck ihres Opas verhieß zwar für einen Moment Freude darüber, dass die Kleine von der Geschichte so gefesselt wurde, aber recht bald mischte sich ein wenig Besorgnis darunter. Er hatte seiner Enkelin nicht die ganze Geschichte erzählt, konnte es nicht tun. Denn wie bei fast allem im Leben gab es auch bei dem Trank einen entscheidenden Nachteil, eine Nebenwirkung sozusagen.
Nachdem man ein wenig davon getrunken hatte, kannte man zwar den Weg.
Doch jeder Schluck weckte das Bedürfnis nach einem weiteren, und je mehr man trank, desto falscher wurde auch der Weg.
Seine Enkelin weckte ihn aus diesen düsteren Gedanken.
„Opa, hast Du den Trank immer noch hier in Deinem Haus?“
Er schaute nun hinaus aus dem Fenster, direkt in seinen verwilderten Garten.
„Nein mein Schatz, ich habe ihn schon vor langer Zeit ausgetrunken, es ist nichts mehr davon übrig.“
Nun sah sie ihn mit ihren großen neugierigen Augen an, als wären alle Fragen dieser Welt darin verborgen.
„Aber wie findest Du denn jetzt den Weg, wenn Du Dich mal verläufst?“
In diesem Moment stand der Opa auf, ging zu seiner Enkelin hinüber und nahm sie in den Arm.
„Es ist besser, wenn Du Deinen Weg alleine finden kannst, ohne Zaubertrank.“
So hielt er die Kleine im Arm, und erzählte ihr eine weitere Geschichte aus seiner Jugend, voller Riesen, Trollen und Kobolde. Erst das Türklingeln holte beide wieder zurück in die Gegenwart.
Nachdem seine Enkelin von ihrer Mutter abgeholt wurde, wollte er ins Bett gehen.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer blieb er aber wie so oft vor dem alten Schrank stehen, der sich am Ende des Korridors befand. Hier konnte er die Tränen nicht mehr unterdrücken, denn er hasste sich dafür, die Kleine angelogen zu haben.
Er wollte es nicht, doch blieb ihm in seiner Verzweiflung keine andere Wahl.
„Du dummer alter Mann. Schaffst es nicht, ihr die ganze Geschichte zu erzählen.
Schwach und töricht bist Du, nichts anderes.“
Seine Hände begannen zu zittern, als er sie langsam in die Höhe nahm.
In der obersten Schublade des alten Schranks stand schon seit Jahren eine Flasche des Trankes, den er damals von dem Riesen bekommen hatte.
Sie war keineswegs leer, sondern half ihm oft, wenn er den Weg nicht mehr zu wissen glaubte.

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Sonntag, 25. Februar 2007
Das Leben hinter dem Gesicht
Es war sein Glück, dass ihn eine Kugel in den Kopf traf.
Jedenfalls haben das später seine Kameraden gesagt.
So spürte er nicht mehr, wie die anderen ihm den Bauch zerfetzten, sondern fiel einfach hinten über, mit dem leicht überraschten Gesicht nach oben.
Es gab in diesem Krieg einige, die ihn um seinen schnellen Tod beneideten.
„Sieh es Dir an, sie haben Harry die Kugel direkt neben seine Narbe gesetzt.“
Eigentlich hieß er gar nicht Harry, das war nur sein Spitzname, den sie ihm wegen eben dieser Narbe verpasst hatten.
Die Narbe hatte er bekommen, da musste er so um die sechs Jahre alt gewesen sein.
Der Grund war ein Bonbonglas, welches ganz oben stand, auf dem höchsten Regal in der Küche.
Ihm war bewusst, dass er zu klein war, um da jemals ranzukommen. Doch mit Papas Spazierstock und dem Willen, sich so weit zu strecken, wie es nur irgendwie möglich war, gelang es ihm, das Bonbonglas vom Schrank zu holen.
Dass es ihm dabei direkt auf die Stirn fiel, brachte seine Mutter in diesem Moment zwar zum Weinen,
er hingegen wunderte sich nur, dass es nicht zerbrochen war.
Die Narbe auf der Stirn jedenfalls erinnerte ihn von da an immer daran, dass man sich für viele Bonbon-Gläser im Leben eben strecken musste, wenn man sie bekommen wollte.
Abgesehen davon ließ es sich mit dieser Narbe wunderbar prahlen. Nicht zu stark, denn ein Angeber wollte er nie sein. Aber so ein bisschen musste es schon erlaubt sein, davon war er überzeugt. Vor den Kumpels sowieso, aber etwas später vor allem vor den Mädchen. Dann kam die Narbe wahlweise von einem Motorradunfall oder einer Schlägerei, bei der er einen Verbrecher, der seiner Oma die Brieftasche klauen wollte, in die Flucht schlagen konnte. Allerdings nicht ohne Spuren davon zu tragen, versteht sich. Als seine erste Freundin jedoch einmal alte Kinderfotos von ihm in die Hände bekam, auf denen die Narbe schon deutlich zu sehen war, hatte diese junge Beziehung ihr Ende erreicht. Einen dummen Lügner wurde er von ihr genannt.
„Nun denn“, dachte er sich, „wenn die Narbe der einzige Grund war, weswegen sie mich mochte, dann soll die doch zur Hölle fahren!“. Zumindest versuchte er, sich das einzureden. Natürlich war das Verdrängen in Wirklichkeit schwieriger für ihn, aber zugegeben hätte er das nie. Außerdem gab es an der Sache auch eine gute Seite:
Er konnte sich jetzt wieder mehr seinen Freunden widmen, besonders seinem besten Kumpel Tim. Den kannte er schon aus dem Sandkasten, und er war auch der erste, der Harry im Krankenhaus besuchte, nachdem ihm das Bonbonglas auf den Kopf gefallen war. So wuchs ihre entfremdete Freundschaft auch schnell wieder, nachdem Harry von seiner ersten Freundin verlassen wurde.
Es war die Art von Freundschaft, bei der man die Antworten des anderen schon kennt, bevor dieser sie gibt.
Das Besondere dabei ist jedoch, dass man sie sich trotzdem immer wieder gerne anhört, weil jedes Mal die Möglichkeit besteht, dass noch ein wenig Neues dabei ist. Nur bei dieser Art von Freundschaft können beide mit einem Bier auf der Couch sitzen, die eigentlich billige alte Lieblingsserie gucken und dabei kaum reden, ohne dass es für einen von beiden unangenehm ist.
„Weißt Du Harry, eigentlich sollten wir heiraten, aber leider sind wir nicht schwul.“
Deshalb entwickelte sich bei beiden mit Zeit auch wieder das Interesse an den Frauen. Tim handhabte seine Beziehungen eher liberaler, wie er immer zu sagen pflegte. Harry hingegen verschoss sich in ein Mädchen, in das eine Mädchen.
Sie hatte zwar kein Interesse an einer Beziehung mit ihm, doch verstand sie es hervorragend, ihm in wenigen Momenten das Gefühl zu geben, dass er eine Chance hätte. Zumindest sah seine Interpretation so aus. Nach einem Jahr des Gefühlschaos lag Harry dann auf dem Fußboden in Tims neuer Wohnung und weigerte sich, wieder aufzustehen.
„Junge, sie ist das Bonbonglas, also strecke Dich verdammt nochmal ein wenig, um an sie ranzukommen….Aber lass sie Dir nicht auf den Kopf fallen, sonst gibt es die nächste Narbe…“
Doch erst nach drei weiteren langen Monaten, als er alleine und äußerst frustriert auf dem dunklen Hinterhof einer Disco stand, wobei ihm der Regen egal war, da durfte er endlich den Moment erleben, an dessen Erfüllung er mittlerweile nicht mehr glaubte.
Sie kam zu ihm raus, und ohne ein Wort zu sagen küsste sie ihn auf den Mund.
Zwar verstand er nie, was sie zu diesem Sinneswandel bewogen hatte, aber war das nicht egal?
Leider blieb ihm nicht die Zeit, die er sich für seine neue Beziehung erhofft hatte, denn Tim brauchte seine Hilfe.
Nach Abschluss der Schule musste er eine abgelehnte Bewerbung nach der anderen hinnehmen, und auch wenn er nach außen hin so tat, als würde ihm das nicht viel ausmachen, so wusste Harry als sein bester Freund lange bevor Tims Maske endgültig zusammenbrach, dass ihn die Ablehnungen wirklich trafen.
War es dieser Umstand, der Tim auf die Idee brachte, zum Militär zu gehen?
Für Harry jedenfalls wurde schnell klar, dass er ihn dort besser nicht alleine lassen sollte.
„Pass auf, wir machen das zusammen, aber auf unsere Art.
Die Grundausbildung ziehen wir durch, es wird hart, aber wir schaffen das. Und anschließend studieren wir da irgendwas Technisches, damit wir nicht komplett verblöden.“
In zwei simplen Sätzen konnte Harry den kompletten Plan für die nächsten Jahre skizzieren. Die Begeisterung seiner Freundin hielt sich naturgemäß in Grenzen, doch versprach er, sie während der Grundausbildung jeden zweiten Tag anzurufen und danach so oft zu besuchen, wie es ihm möglich war.
So kämpften sich beide durch die ersten Monate beim Militär und sie hätten gelogen, wenn sie behauptet hätten, dass es nicht hart war. Doch immer wenn einer von beiden vor der Aufgabe stand, konnte der andere ihn wieder hochziehen.
Und wenn sie abends vor Erschöpfung nicht gleich in ihre Betten fielen, spielten sie Schach oder lasen in den Büchern, die Harrys Freundin ihnen schickte.
„Damit Du mich noch mit einem ganzen Satz begrüßen kannst, wenn Du wiederkommst.“
Die Ausbildung schritt weiter voran, wobei beide mehr und mehr merkten, dass sich die Waffen besser in den Händen anfühlten als die Bücher. Auch verschmolzen sie mit den anderen Jungs von Tag zu Tag weiter zu einer Einheit, die Sicherheit und Unterstützung bot, das Schach spielen und Lesen überflüssig machte und die einsamen dunklen Flecken im Inneren, mit denen sie alle zum ersten Mal die Kaserne betraten, verschwinden ließ. Am Ende landeten Harry und Tim in keinem Vorlesungssaal, sondern im Häuserkampf in einem staubigen Land, dessen Einwohner auf diese Weise die Demokratie lernen sollten. Sie mussten töten, und dazwischen schrieb Harry Briefe an seine Freundin, die sie jedoch nie öffnete.
Oder er füllte zusammen mit Tim Sand in das Bonbonglas, das er aufgehoben und mitgenommen hatte, immer ein wenig von jedem Ort, an den sie geschickt wurden. Als das Glas eines Abends voll war und diese Beschäftigung damit zu Ende, warf Tim es frustriert gegen eine Felswand, an der es zersplitterte.
Es war der Abend vor ihrem bisher größten Einsatz, der Stürmung eines Stadtteils, in dem die Aufklärer Terroristen ausfindig gemacht hatten.
Sie saßen beide nebeneinander auf dem sandigen Boden, gelehnt an eine Felswand, die Scherben überall um sie herum verteilt.
Keiner von beiden sah den anderen an, stattdessen richteten sich ihre Blicke in die leere Ferne und damit vielleicht auf die Heimat, die sie dort vermuteten.
Harry brach als erster das Schweigen, welches jedoch weder er noch Tim als unangenehm empfanden.
„Weißt Du eigentlich noch, warum wir hier sind, und nicht zu Hause?“
Tim vergrub die rechte Hand im Sand.
„Na für unser Land, Du Idiot. Hast Du etwa nicht zugehört?“
Harry buddelte einen kleinen Stein aus der Erde und warf ihn anschließend einige Meter weiter.
„Soll ich Dir mal was sagen?“ Wenn unser Land eine Frau wäre, und zwar eine, zu der Du eigentlich nicht nein sagen kannst.
Du weißt, was ich meine. Eine, die Deinen Verstand durch und durch vernebelt und einfach perfekt ist.“
An dieser Stelle wurde er von Tim unterbrochen.
„Dann würdest Du ihr jetzt trotzdem sagen: Raus aus meinem Bett, ich will Dich nicht mehr sehen, auch wenn sie nackt neben Dir gelegen hätte.“
Harry nickte. Anschließend begannen beide, spöttisch zu lachen.
Sehr bald jedoch wurden ihre Mienen wieder hart.
„Wenn wir morgen draufgehen“, fragte Harry, „was glaubst Du fühlt man dabei?“.
Tim steckte sich eine Zigarette an.
„Schätze, wir haben Glück, denn eigentlich sind wir längst tot, wenn Du verstehst, was ich meine.“
Damit hatten beide alles gesagt, was zu sagen war.
Die Sonne ging unter, während beide ihr dabei zusahen, wie sie es immer am Vorabend eines Kampfes taten.
Später wurde Tim klar, dass Harrys Blick an diesem Abend besonders lange gen Sonne gerichtet war.
Auf Harrys Beerdigung gab seine Ex-Freundin Tim einige der Briefe, die Harry während des Krieges an sie geschickt hatte.
Sie waren an Tim gerichtet, für den Fall, dass er alleine nach Hause zurückkehren würde.
So wurde ihm bewusst, wie sehr Harry an dem Abend seines letzten Sonnenunterganges auch innerlich noch lebte.
Nachdem Tim sie gelesen hatte, wusste er, dass er das Bonbonglas seines Lebens wieder zusammensetzten wollte.
Es würde schwer werden und nie wieder so heil aussehen wie früher, doch mit Harrys Hilfe konnte er es versuchen.

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Dienstag, 20. Februar 2007
Bleib noch!
Beim Anziehen musste er sich dieses Mal mehr beeilen als gewöhnlich, da einige Termine auf ihn warteten. Sie lag noch neben ihm, nackt, und blickte an die Decke.
Da er ihr seinen Rücken zugewandt hatte, bekam er nicht mit, wie sie ihren Blick von der Decke löste und auf ihn richtete, nur um ihn in dem Moment, in dem er aufstand, wieder auf die Zimmerdecke zu konzentrieren.
„Hast Du heute wieder wichtige Termine?“
Beim Umbinden seiner Krawatte hielt er kurz inne.
„Ja, ich bin in Eile. Ist es in Ordnung, wenn ich Übermorgen wiederkomme?“
Sie zog die Bettdecke weiter nach oben.
„Das geht in Ordnung, denke ich.“
Er war schon an der Tür, als es ihm einfiel.
„Sorry, das habe ich doch fast vergessen.“
Nun befand sich das Geld an der üblichen Stelle, neben der Nachttischlampe.

Als er gegangen war, zog sie die Decke beiseite und lief Richtung Badezimmer.
Sie hatte entschieden, dass anschließend noch genügend Zeit war, um das Bett zu machen.
Die Dusche half ihr mittlerweile kaum noch dabei, den Schmutz, der unsichtbar an ihrem Körper hing, zu beseitigen. Eigentlich hatte sie sich auch an ihn gewöhnt.
Sie konnte sich nicht vorstellen, eine andere Arbeit zu haben, hatte ja auch nie etwas anderes gekannt. Außerdem verstand sie etwas von ihrem Job, was sich auch anhand der großen Zahl ihrer Kunden zeigte.
Nachdem sie mit dem zweiten fertig war, und er noch für einen Moment neben ihr lag, da stellte sie ihm eine Frage, die er sicherlich nicht erwartet hätte.
„Bleibst Du noch einen Moment?“
Er neigte seinen Kopf kaum zur Seite.
„Was hast Du gesagt?“
Ihre Stimme klang nun etwas schwächer.
„Willst Du noch einen Moment hier bleiben?“
Verwunderung zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
„Wie kommst Du auf so was?“
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„Ich dachte nur, dass wir vielleicht…na ja…ein bisschen reden könnten…einfach so…“
Das Verlassen des Bettes begleitete er mit einem leisen Lachen.
„Muss ich dafür extra zahlen?“

Natürlich hatte er nicht mit ihr geredet. Nachdem er weg war, ging sie wie so oft in das kleine Zimmer, in das sie noch nie einen Mann hinein gelassen hatte.
Vor dem schmalen Fenster, welches einen hübschen Ausblick auf den Park vor dem Haus bot, stand wie immer der alte Sessel, den sie von Zuhause mitgenommen hatte. Sie erinnerte sich noch genau an den Satz, den ihre Mutter damals zu ihr sagte. „Nimm ihn mit, denn Du wirst ab und zu etwas Entspannung brauchen.“
Bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter starb, hatten beide täglich telefoniert.
Ihr fehlte das, doch wusste sie sich zu helfen.
Einmal am Tag setzte sie sich in den alten Sessel, nahm das Telefon und wählte eine beliebige Nummer. Oft legte ihr Gegenüber am anderen Ende der Leitung sofort wieder auf, wenn sie ihm erklärte, dass sie nur etwas reden wollte.
Aber manchmal, da hatte sie Glück.
Man ließ sie reden, oder noch besser: Man hörte ihr zu.

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Samstag, 6. Januar 2007
Ihr bester Freund
„Mama, müsst ihr heute Abend ins Theater gehen?
Könnt ihr nicht einfach hier bleiben und fernsehen?“
Ihre Mutter beugte sich zu ihr runter und streichelte sie über den Kopf.
„Schatz, Ich habe Dir doch erklärt, dass Theater etwas ganz anderes ist als Fernsehen, und das wollen Papa und Ich eben auch ab und zu haben.
Ihr kleines Gesicht wurde trotzig, aber das nahm ihrer Mutter nicht das Lächeln.
„Außerdem passt doch Onkel B. auf Dich auf. Also, bis morgen mein Schatz.“
Sie küsste ihre Tochter auf die Stirn, erhob sich, und wandte sich vor dem Gehen noch kurz an ihren Bruder.
„Achte bitte darauf, dass die Kleine nicht zu lange wach bleibt, sie ist sehr müde.
Alles andere kennst Du ja.“
Ihr Bruder nickte wissend mit dem Kopf.
„Wünsche euch viel Spaß im Theater ihr zwei.
Und wir beide werden den Abend schon rumkriegen, nicht wahr?“
Mit ihren gerade mal zehn Jahren war sie schon dazu gezwungen, über einige Dinge nachzudenken, die andere in ihrem Alter nicht in Frage stellten.
Freundschaft gehörte z.B. dazu. Sie hatte einige Freunde, die meisten gingen in ihre Klasse oder wohnten nebenan. Leider verlor sie in letzter Zeit immer mehr von ihnen. Es lag wohl daran, dass sie nicht mehr mit ihnen spielen wollte.
Sie konnte das nicht genau erklären, aber es fehlte irgendwie der Antrieb.
Onkel B. hatte ihr beigebracht, was Freundschaft bedeutete. Man muss den anderen kennen, gut kennen, sich mögen und vor allem aufeinander aufpassen.
Vertrauen nannte er das immer.
„Du vertraust mir doch, oder Süße?“
Sie antwortete jedes Mal mit ja, aber irgendwie viel ihr das immer schwerer.
Von Onkel B. lernte sie auch, dass zur Freundschaft Geheimnisse gehören.
„Wir beide sind Freunde, und deshalb vertraue ich Dir, dass Du unsere Geheimnisse hütest. Schließlich wollen wir doch für immer Freunde bleiben, oder?“
„Ja, für immer“.
Nachdem ihre Mutter vom Theater zurückkam, ging sie jedes Mal vor dem Schlafengehen noch einmal in das Zimmer der Kleinen. Sie freute sich immer, wie friedlich ihre Tochter bereits schlief.
Erst fiel zu spät fand sie heraus, dass die Kleine meistens nur so getan hatte.

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Mittwoch, 3. Januar 2007
Ein ehrlicher Tag
Er ging durch die Straßen und fragte sich, warum er das nicht schon öfters auf diese Weise getan hatte. Früher war er nur unauffälliger Teil der Masse gewesen, wie die meisten anderen, ohne Profil. Jetzt gab es keinen, der sich nicht umdrehte und ihm nach sah. Viele lachten, einige guckten verwundert, wenige verärgert.
Am meisten amüsierte ihn die Frau, die beim Becker hinter der Kasse stand und sich bei jedem einzelnen ihrer Worte enorm zusammenreißen musste, um nicht in lautes Lachen auszubrechen.
„Mama, der Mann hat ja gar nichts an…“
Nun darf man nicht auf die Idee kommen, dass er auch nur an einem Tag seines bisherigen 35-jährigen Lebens daran gedacht hätte, einmal für drei Stunden fast komplett unbekleidet seinen Alltagsgeschäften nachzugehen. Oder, anders gesagt:
Es auch wirklich in die Tat umzusetzen. Heute jedoch konnte er sich endlich überwinden. Wer ihn dabei richtig ansah, der musste bemerken, wie viel Spaß es ihm machte.
Als er anschließend wieder zuhause ankam, da fiel sein Blick auf das Bücherregal, was im Laufe der Jahre beträchtlich an Fülle gewonnen hatte.
Die meisten Bücher, die sich dort quetschten, kannte er nur vom Umschlag.
Er bereute, nicht mehr Zeit investiert zu haben, um sie auch wirklich zu öffnen.
Also nahm er sie aus dem Regal, eins nach dem anderen, und verstaute sie in seinem Rucksack. Anschließend ging er mit dem Rucksack und den Büchern nach draußen (diesmal angezogen) und verteilte die Bücher wahllos an Menschen, die ihm auf seinem Weg begegneten. Er wusste, dass viele die Bücher gar nicht erst annehmen oder später auch wirklich lesen würden. Doch trotzdem freute er sich über jeden, dem er so eine Chance eröffnen konnte, die diese Person sonst wohl nie bekommen hätte.
Er musste einige Male in seine Wohnung zurückkehren, bis sein Bücherregal wieder aussah wie an dem Tag, als er es gekauft hatte. Nachdem das letzte Buch seinen Besitzer wechselte, begann es schon leicht zu dämmern. Die Luft war klarer als gewöhnlich, und als er nach oben blickte, da entdeckte er keine einzige Wolke am Himmel.
„Wann habe ich eigentlich zum letzten Mal nach oben geblickt, ganz in Ruhe?“
In diesem Moment wurde ihm bewusst, was an diesem merkwürdigen Tag noch erledigt werden musste. Er lief einige Straßen weiter, zwar befreiter als sonst, aber je näher er seinem Ziel kam, umso schwerer wurde es für ihn.
Doch immer war er sich sicher, dass diese Gelegenheit nie wieder kommen würde.

Sie öffnete die Tür und schaffte es nicht lange, die Verwunderung in ihrem Blick zu überspielen. Für ihn war sie sofort wieder das Mädchen, in das er sich einmal verliebt hatte.
„Ich weiß nicht, warum Menschen so dumm sind, gewisse Dinge mit sich rumzuschleppen und in sich zu verschließen, anstatt einfach den Mund aufzumachen. Ich war dumm, all die Jahre, und deshalb erfährst Du es erst jetzt.
Ich habe mich in Dich verliebt, lange schon, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern richtig.
Ich habe es Dir nie gesagt, weil ich zu viel Angst vor Deiner Antwort hatte.
Du bist das faszinierendste Mädchen, was ich jemals getroffen habe.“
Ihr Blick verwandelte sich nun in eine Mischung aus Verwirrung und ein wenig vom dem, was man als Reaktion auf ein Kompliment bezeichnen würde.
Sie behielt diesen Ausdruck noch einige Momente lang bei, auch nachdem er längst gegangen war.
Mittlerweile hatte die Nacht, welche genauso klar und mild war, wie sie sich ankündigte, den Tag vollends abgelöst.
Er lag nun in einem Liegestuhl und blickte nach oben, mitten hinein in die ganze Freiheit. Da er sich samt Liegestuhl auf dem Dach seiner Wohnung befand, konnte er das besonders gut.
„Ich habe heute nur wenig von dem geschafft, was ich vorhatte.
Trotzdem war das immer noch mehr als in den ganzen bisherigen 35 Jahren.“
Und so hörte er auf zu denken, sah noch ein wenig nach oben, bis ihm seine Augen zum letzten Mal zufielen, aber zum ersten Mal mit Zufriedenheit.

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Mittwoch, 27. Dezember 2006
Weltflucht
Er riss seine Wohnungstür auf und stolperte hinein.
Später konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie er die Tür wieder geschlossen hatte, aber er musste sie kurz darauf wohl einfach zugeschmissen haben.
„Kaufen Sie jetzt, damit Sie später nichts bereuen!“
Zum ersten Mal nach langer Zeit stand ihm Schweiß auf der Stirn, er war kalt.
Er ließ seine Tasche fallen und wankte zur Couch, um sich der Länge nach hinzulegen, seine Jacke behielt er an.
„Wir versorgen Sie rund um die Uhr mit den neuesten Nachrichten.
Wenn es drauf ankommt, auch im Sekundentakt!“
Sein Blick fiel auf die Tageszeitung, die vor ihm auf dem Tisch lag.
Das Titelblatt war gefüllt mit Schlagzeilen, die nur die Oberfläche bildeten.
Er war sich sicher, dass er sie sofort weggeschmissen hätte, aber in diesem Moment fehlte ihm dazu die Kraft.
„Millionen von Songs warten auf Sie, einen für jeden Moment Ihres Lebens.“
Von draußen drang ein Fetzen Musik zu ihm hinein, sicher verursacht durch ein vorbeifahrendes Auto.
Jede Note griff ihn an, sodass er sich seine Ohren zuhalten musste.
„Meeting ist heute um 12, das Essen um 15 Uhr. Bitte seien Sie pünktlich dort, Sie kennen ja die Wichtigkeit. Außerdem soll ich Sie noch fragen, ob Sie heute Abend mit in die Oper gehen wollen.“
Nun merkte er, dass er unbequem lag. Also zog er das blinkende Handy aus seiner Hosentasche und warf es durch den Raum. Dass es dabei gegen den Bildschirm seines Fernsehers flog und dort deutliche Spuren hinterließ, war ihm egal.
Bald wurde der Lärm von draußen ruhiger, sein Atem legte sich und der Schweiß verschwand. Zum ersten Mal, so dachte er, hatte er wieder Zeit, nach Innen zu hören.
Er tat das, und dabei kümmerte es ihn nicht, wie viel Stunden er liegend auf der Couch verbrachte und auf diese für ihn fremd gewordene Welt im Inneren hörte.
Es kam ihm vor, als könnte er endlich an einen Ort zurückkehren, dem er schon lange fern geblieben war.
Ihm gelang es, ganz langsam wieder eine Art Vertrautheit zu den lange Zeit verdrängten Dingen aufzubauen, doch die Reise endete viel zu schnell mit dem Klingeln seines Handys.

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Sonntag, 24. Dezember 2006
Stille Nacht
Wieso immer auf den letzten Drücker?
Heilig Abend ist jedes Jahr am 24., theoretisch hatte er also 365 Tage Zeit, um ihr ein Geschenk zu kaufen.
„In den letzten Wochen gab es einfach zu viel Stress, die ständige Beobachtung vom Chef, die ganze Arbeit zuhause…“
Er drückte das Gaspedal weiter nach unten.
„Wenigstens kann ich jetzt so schnell fahren, wie ich will.
Das ist der Vorteil, wenn man ohne weibliche Begleitung im Auto sitzt…“
Doch zahlreiche rote Ampeln und vor allem ein immer heftig wehender Schneesturm verlangsamten seinen Weg.
„Sie mag den Schnee. Bestimmt sitzt sie jetzt zuhause am Fenster und schaut dabei zu, wie die Flocken vom Wind hin und her getrieben werden. Dabei zieht sie ihre Decke Stück für Stück höher, sodass irgendwann nur noch der Kopf hervorschaut.“
Ihm jedoch war der Schnee im Moment zuwider, was man deutlich an seinem immer mehr versteinernden Gesicht ablesen konnte.
„Wenn Du den Ring nicht mehr bekommst, dann war´ s das endgültig mit der Beziehung, so viel ist sicher.“
Vor Nervosität begann er nun, wahllos auf den Programmtasten seines Radios rumzudrücken.
„Last Christmas, I gave you my heart…”
In weniger als einer Sekunde hatte seine Hand das Radio abgedreht.
Endlich auf dem Parkplatz des Juweliers angekommen, lehnte er sich einigermaßen beruhigt zurück. Der Schneesturm wurde zwar stärker, aber das kümmerte ihn nicht.
Schließlich war das Juweliergeschäft jeden Werktag bis 20 Uhr geöffnet.
Dass jedoch alle Regeln ihre Ausnahmen haben, lernte er nach einem Blick auf das hübsche Schild, welches an der verschlossenen Tür baumelte.
„Wir wünschen allen Kunden frohe Weihnachten sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr und sind ab dem 02. Januar wieder für Sie da!“
Im Laufe seines Lebens hatte er gelernt, mit einigen Enttäuschungen umzugehen.
So blieb sein Gesicht nach zweimaligem Lesen des Schildes merkwürdig ausdruckslos, und nur der geübte Beobachter hätte durch das leichte Zittern seiner rechten Hand feststellen können, wie es wirklich in ihm aussah.
Statt zurück zum Auto zu gehen, trottete er in die nächste Querstraße.
Es war nun komplett dunkel, und der dichte Schnee nahm im zusätzlich die Sicht.
Deswegen konnte er auch die Mülltonne nicht erkennen, über die er stolperte und so mit dem Gesicht zuerst im Schnee landete. Selbige Tonne wurde einige Sekunden später zum Objekt seiner geballten Wut, die sich über Jahre und vermehrt in den letzten Minuten in ihm angestaut hatte.
Er begann, so lange auf sie einzutreten, bis eine deutliche und für ihn befriedigende Verformung zu sehen war.
Endlich blieb er stehen, keuchte, und bewunderte sein Werk.
„Wat isn dat fürn Krach am heiljn Abend?“
Die Stimme kam irgendwo von über ihm.
„Entweder ist mein Verstand endgültig erfroren oder der Herr persönlich spricht zu mir…“
Er blickte nach oben und sah dank des nun nachlassenden Schneesturmes die Umrisse eines Mannes, der an der Kante des Häuserdaches stand.
„Was machen Sie da oben?“
„Wat machst Du da unten?“
Schon wollte er sich entnervt abwenden, doch schnell fiel ihm ein, dass er sowieso nicht wusste, wo er hinsollte.
Also blieb er.
„Ich war sauer und habe meine Wut an dieser verdammten Mülltonne ausgelassen…“
„Wieso warste denn wütend, is doch Weihnachten?“
Ausweichend begann er nun damit, sich den Schnee vom Mantel zu klopfen.
„Verstehe, dit willste mir nich sagen. Na jut, kennst mich ja ooch nich…“
Schon bald fand er keine Stelle mehr auf seinem Mantel, die noch schneebedeckt war.
„Ich wollte meiner Freundin zu Weihnachten einen wunderschönen Ring kaufen, aber dieser dämliche Juwelier hat schon zu…“
In diesem Moment verstand er selber nicht, warum er so offen war.
„Und warum bitteschön warteste damit bis uffn letzten Drücker?“
An dieser Stelle blieb er stumm.
„Allet klar, aber liebste ihr denn so richtich?“
Sein Blick wurde etwas nachdenklicher, und er begann, mit der Hand an seiner Nase zu tasten.
„Ja, ich denke schon. Ich meine, wir hatten in letzter Zeit unsere Probleme, aber ich wollte das alles wieder gut machen, verstehst Du?“
„Und ditt willste hinbekommen, in dem de jegen Mülltonnen trittst und mit ollen Pennern, die uff Häusern stehen, rumlaberst? Junge, jeh zu Deinem Mädel nachhause, die will Dir bestimmt sehn!“
In diesem Moment wurde das Zittern in seiner rechten Hand schwächer.
„Ich habe doch kein Geschenk!“
„Aber jenug Zeit, um uffm Nachhauseweg darüber nachzudenken, warum De Dich in se verliebt hast, nen paar Blümken zu koofen, und nen schnieket Restaurant für heute Abend oder morgen zu überlejen.“
Das Zittern in seiner rechten Hand hatte endgültig aufgehört.
Erstmals begann der Fuß zu schmerzen, mit dem er gegen die Mülltonne getreten hatte. Es war ihm völlig egal. Lächelnd wandte er sich vom Mann auf dem Dach ab und war im Begriff, zu gehen. Doch dann drehte er sich ein weiteres Mal um.
„Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie eigentlich auf diesem Dach machen!“
Nach kurzer Stille kam die Antwort.
„Icke? Ach so, ick wollte eigentlich springen, verstehste…“
„Was, aber das können Sie…“
Der Mann auf dem Dach unterbrach ihn.
„Nun bleib mal janz ruhich meen kleener, ick habs ma gerade anders überlegt.“
Er schaute den Mann auf dem Dach nun zum ersten Mal wirklich an.
„Aber eens musste mir versprechn…“
„Ok, und was?“
„In eenem Jahr steh ick vielleicht wieder hier, und dann wärs dufte, wenn de ooch wieder da wärst…“
„Alles klar, das lässt sich einrichten…“
„Frohe Weihnachten, mein kleener, und grüß mir Deene Olle!“
Eigentlich wollte er den Wunsch noch erwidern, aber als er das nächste Mal nach oben blickte, da war der Mann bereits verschwunden.
So machte er sich auf den Heimweg, durch Nässe und Kälte, doch spüren konnte er weder das eine noch das andere.


Ich wünsche allen meinen Lesern frohe und vor allem erholsame Weihnachten, besonders Eli, Basti, Jule, Yannik und Matze!

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Dienstag, 19. Dezember 2006
Eine einfache komplizierte Frage
Er sah ihr direkt in die Augen, doch lange hielt sie seinem Blick nicht stand.
Schnell wandte sie sich ab und setzte ein nervöses Lächeln auf.
In diesem Moment wusste er, wie ihre Antwort aussehen würde.
Natürlich lies er sich nichts anmerken, schließlich war er ein Kerl.
„Ist in Ordnung, Du brauchst nichts zu sagen, ich verstehe Dich schon….“
Ihr Lächeln verschwand.
„Weißt Du, wir können ja auch einfach nur…“
An dieser Stelle unterbrach er sie.
„Ja, ok…“
Er schaute sie jetzt nicht mehr an.
„Also, ich muss dann mal los, wir sehen uns nächstes Wochenende oder so…“
Damit drehte sie sich um und ging.
In ihm brach etwas zusammen, an dem er sich über all die Monate festgeklammert hatte.
Er wollte endlich etwas riskieren und war gescheitert, was ihm ganz langsam bewusst wurde.
Hinter ihm tauchte sein Kumpel auf.
„Na, wie ist es gelaufen?“
Er bewegte sich kaum, sah ihr immer noch hinterher.
„Suboptimal, würde ich sagen…“
Der Kumpel klopfte ihm auf die Schulter.
„Tja, Frauen sind grausam, jetzt weißt Du es auch.“
Für einen Moment konnte er seinen Blick lösen.
„Nein, nicht alle. Sie ist es nicht, da war ich mir sicher…“
Er blickte nun wieder in die Richtung, in die sie gegangen war.
„Sie ist es nicht.“


Der Tragödie zweiter Teil

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