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Sonntag, 3. Februar 2008
Viva la Revolution!
Die Sonne geht früh unter, anderes ist man im Winter schließlich nicht gewohnt.
Manch eine der vereinzelten Gestalten, die noch auf dem Bürgersteig unterwegs ist und an den prächtigen Einfamilienhäusern mit den durch hohe Steinmauern oder vergoldete Zäune geschützten Gärten vorbeigeht, mag sich angesichts des warmen Leuchtens aus den Fenstern schon auf einen beschaulichen Abend vor dem Kamin freuen.
Selten fährt ein Auto vorbei, aber wenn, dann nicht zu schnell.
Eines davon, ein silbernes Exemplar mit weichen Linien, glitzernden Felgen und dem Stern am vordere Ende der Motorhaube, hält vor einem der Gittertore, welches links und rechts von einer Steinmauer begrenzt wird. Das Tor öffnet automatisch und kehrt wieder in die Ausgangsposition zurück, nachdem das teure Gefährt seinen Platz unter dem Car-Port aus Backsteinen eingenommen hat. Schwere Schritte durchbrechen die Ruhe des kleinen Ortes am Rande der Stadt, verlieren sich aber schnell in der Ferne.
Ein Hund bellt kurz. Sein Besitzer nötigt ihn sofort, nicht weiter zu stören.
Dann geschieht etwas, was die Aufmerksamkeit der vielen Bewohner dieses beschaulichen Ortes sicher erregt hätte, würden sie hinter ihren hohen Zäunen und Mauern die Straße sehen:
Drei junge Menschen biegen um die Ecke, zwei Jungs, ein Mädchen.
Sie laufen, als wollen sie jedem mitteilen: Schaut her, wir werden die Welt verändern!
Alle drei haben lange Haare. Bei zweien von ihnen sind sie zum Zopf gebunden, das Mädchen trägt sie offen und mit roten Strähnen.
Einer der Jungs nickt beim Gehen rhythmisch mit dem Kopf, da ihm offenbar gefällt, was durch Stöpsel in beide Ohren dringt.
Ihr Weg endet vor dem automatischen Gittertor.
Sofort beginnt das Mädchen mit den beiden Jungs zu tuscheln, wobei der Junge mit den Kopfhörern weiter im Takt der Musik nickt.
Kurz nach der Absprache klettern beide Jungs auch schon über das Gittertor. Währenddessen wendet das Mädchen ihren Kopf von einer Richtung der Straße zu der anderen, nun in deutlicher Hektik.
Hinter dem Gittertor ist davon aber nichts zu spüren.
Kaum vor dem silbernen Auto mit den weichen Linien angekommen, werden zwei Hosen von vier Händen mit Gelassenheit geöffnet und die friedliche Stille unter dem Carport durch ein Geräusch verletzt, welches entsteht, wenn der Lack eines teuren Autos angepinkelt wird.
Die geschmacklose, aber zweifelsohne originelle Art der Entweihung ist kaum vorüber, da klettern beide Jungs schon wieder auf die Straßenseite. Hier nun entdeckt der interessierte Beobachter das erste Mal ein Missgeschick in der Ausführung des Plans:
Gerade, als der Junge mit den Ohrstöpseln auf der Spitze des Gittertores angekommen ist und sich für den Absprung vorbereitet, rutscht ihm der MP3-Player aus der Jackentasche und zerschellt geräuschvoll an den Steinplatten, die sich gut zwei Meter tiefer befinden. Ein kurzes Zögern, wohl der Abwägung des weiteren Handelns geschuldet, dann springt sein ehemaliger Besitzer ungeschickt auf die Straße und flucht.
Die Stimme des Mädchens klingt aufgeregt:
„Los, lasst uns abhauen, unsere Arbeit ist getan.“
Die Zufriedenheit mit der Aktion sieht man ihr deutlich an. Der Junge direkt neben ihr antwortet sofort, ähnlich überzeugt:
„Ja, morgen Abend setzten wir die Revolution fort!“
Doch in der Stimme des musikinteressierten Teilnehmers der Gruppe ist nur Resignation zu hören:
„Vergiss die Revolution.
Fuck, ich brauche erstmal nen neuen IPod…“

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Samstag, 19. Januar 2008
Für eine Nacht
Du liegst neben mir, und bei der ersten Berührung spielt es keine Rolle mehr, was für eine Welt uns umgibt. Sie hört auf zu existieren, weil wir sie nicht mehr wahrnehmen.
Es interessiert uns nicht, dass andere über uns reden, nachdenken, urteilen oder bestimmtes von uns erwarten, das verliert in diesem Moment ganz einfach seine Bedeutung, da es nur noch uns zwei gibt.
Sagen wollte ich Dir so viel, versuchen zu erklären, was Du mit dem Teil von mir gemacht hast, der von Bedeutung ist, aber jedes Wort wäre an dieser Stelle überflüssig. Worte werden sinnlos, denn sie können nicht mehr beschreiben, was gerade passiert, höchstens eine entfernte Vorstellung vermitteln.
Aber Entfernung gibt es in diesem Moment nicht, wir haben sie überwunden, endlich, sind ganz beieinander. Natürlich spüren wir, wie wir uns einem Moment hingeben, dessen Ende festgesetzt ist, aber es vermag ihn nicht zu verderben.
Denn auch wenn er vorbei ist, wissen wir beide, was ihn so besonders macht:
Er gehört uns, sonst niemandem.

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Dienstag, 8. Januar 2008
Ein Gesicht aus Stein
Hallo, Mann mit den starren Gesichtszügen und den sicheren Bewegungen, bei denen jede Geste und jeder Schritt bewusst gesetzt ist.
Du läufst an mir vorbei, und da ich Dich niemals anspreche, kann ich nur vermuten, wie Du Dich selber beschreiben würdest.
Ich meine natürlich nicht eine Selbstbeschreibung im Dialog, denn die kann ich kaum von Dir erwarten.
Nein, ich denke eher daran, was Du Dir selber antwortest, wenn Dich eine innere Stimme in einem ruhigen Moment fragt, warum Deine Artikulation (wenn vorhanden) so kalt ist. Sicherlich lautet die Antwort wie folgt:
„Ich muss so sein, um in der Umgebung nicht aufgerieben zu werden.
Von Wollen war am Anfang keine Rede, aber dann habe ich mich umgeschaut, und mir ist aufgefallen, dass es fast alle so machen.
Eigentlich sind meine zynischen Äußerungen und das unterkühlte Auftreten doch nur Spiegel der Umwelt, mit dem ich meinen Kern schützen und alles, was ich ablehne, kritisieren kann.
Warum soll meine zarte, wahre Natur den Geiern einer Welt geopfert werden, die nur darauf warten, sie zu zerreißen? Mein echtes Ich spare ich mir für eine Person, die es verdient hat. Bis dahin schreibe ich jeden Tag spätabends Gedichte auf Papier, welches anschließend zerknüllt wird.“
Tja, lieber fremder Mann, jetzt bist Du an mir vorbeigelaufen und hast mein Lächeln nicht erwidert. Schade eigentlich, denn ich hätte Dich nicht zerrissen.

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Montag, 24. Dezember 2007
Eine Weihnachtsbotschaft
Ein Jahr zuvor…

Wieso immer kurz vor dem schönsten Moment?
Gerade hatte er zu schweben begonnen, weil er die schweren, an seine Füße geketteten Steine losbekommen konnte, die Welt unter den Schuhen wurde mit zunehmender Höhe übersichtlicher und ein Gefühl vermisster Erleichterung ergriff seinen Körper, da weckten ihn Regentropfen, die immer energischer auf sein Gesicht prasselten.
Er wusste nicht, warum das Fenster offen stand.
Er wusste nicht, wann er ins Bett gegangen war.
Er wusste nicht, warum er in die billige Wohnung mit dem Schimmelproblem direkt an der Hauptstraße ziehen musste, nachdem sie ihn rausgeschmissen hatte.
Eines wusste er, weil ihn der laute Markt auf der Straße vor seiner Wohnung daran erinnerte:
Heute war Heilig Abend.
Es tangierte ihn genauso wenig wie die drei davor genannten Sachen.
Eigentlich wollte er weiterschlafen, als er das Fenster geschlossen hatte, doch starke Kopfschmerzen verhinderten eine Rückkehr in die Traumwelt.
„Hoffentlich war der Weihnachtsmann in diesem Jahr schon hier und hat eine Packung Aspirin dagelassen…“
Er stand von dem Sofa auf, dessen zahlreiche Flecken als Beweis dafür genommen werden konnten, dass es auch schon ein Weihnachten vor 50 Jahren erleben durfte, und machte sich auf den Weg in die Küche.
Kurz vor der Küchentür stieß er mit dem Fuß gegen eine Flasche, deren restlicher Inhalt sich über den Boden ergoss.
„Last Christmas, I gave you my heart, but the very next day, you gave it away…“
Die dünnen Wände waren nicht dazu in der Lage, die Musik von draußen am Eindringen zu hindern. Der Frust über diesen Umstand stand am Anfang einer Kausalkette, an deren Ende eine Wodka-Flasche durchs Wohnzimmerfenster nach draußen flog und auf dem Dach eines Weihnachtsmarkt-Standes zersprang.
Da er das Fenster vorher geschlossen hatte, verteilten sich nun Scherben über den schmutzigen Teppich seines Wohnzimmers.
Er blieb stehen, denn selbst durch sein vernebeltes Gehirn drang durch, dass diese Aktion nicht allzu gut gewesen war. Es wurde Zeit, für ein wenig klarere Gedanken zu sorgen.
Deswegen entschied er, raus auf seinen Balkon zu gehen, selbst wenn er wegen der Kälte und der Weihnachtsmusik wenig Lust dazu verspürte. So schlug ihm der kalte Wind auch sofort direkt ins Gesicht, und sehr bald begann seine rechte Hand zu zittern.
Ob es an der Kälte oder an der Musik lag, konnte er nicht genau bestimmen. Langsam formierte sich in seinem Kopf ein Gedanke, sehr unbestimmt zwar, aber er sorgte für die Ahnung, dass er irgendetwas vergessen haben musste.
Was für eine Rolle spielte das eigentlich?
Sollte er nicht froh über das Vergessen sein?
Ermöglichte diese Fähigkeit des Gehirnes nicht erst das Leben an sich?
Gab es eine Möglichkeit, das ganze Leben zu vergessen, wenn der größte Teil davon besser in der Vergessenheit aufgehoben wäre?
Tatsächlich, die Kälte wirkte, denn ihm fiel eine Lösung ein.
Mit der linken ergriff er das Geländer und schaute hinunter auf den Gehweg.
„Möglicherweise nicht hoch genug, aber versuchen sollte ich es trotzdem…“
Plötzlich wurde die Musik vom Weihnachtsmarkt leiser.
Trotz des heulenden Windes vernahm er eine Stimme. Sie kam irgendwo von unten, und er kannte sie.
„Wat machst Du da oben?“
Auch die Umrisse des Mannes dort auf dem Gehweg kamen ihm vertraut vor. Trotzdem stellte er eine Gegenfrage, deren Sinnlosigkeit ihm schon vor dem Aussprechen bewusst war.
„Was machen Sie da unten?“
Für einen Moment dachte er, der Mann sei weggegangen, denn es gab keine schnelle Antwort.
„Naja, ick loofe traurick durch de Jegend und sehe plötzlich nen Typen, der uff seen Baikong-Jeländer steigen will…“
Der Wind fing an, kleine Schneeflocken vor sich her zu treiben.
Sie waren seiner Laune völlig ausgeliefert, und einige von ihnen fanden bald ihren Weg in die Gesichter der beiden Gesprächspartner.
Der Mann oben sprach als nächstes. Er stützte sich jetzt mit beiden Händen auf das Geländer, seine Stimme hörte sich bestimmter an als zuvor.
„Und, was wollen Sie dagegen machen?
Soll ich Sie fragen, warum sie traurig sind, damit ich abgelenkt werde und nicht springe? Ist es das?“
Der Mann unten trat ein paar Schritte näher zum Haus heran.
Die Beine musste er mühsam anheben, seine linke Hand stützte sich auf einen Stock.
„Ick bin traurik, weil Du heute das Versprechen jebrochen hast, wat ick Dir vor jenau eenem Jahr abjenommen hab. Du wolltest da sein, um mir wieder zu helfen…“
Trotz seiner unzweifelhaft kraftvollen Stimme gingen seine letzten Worte im Geschrei eines Mannes unter, der sehr lange auf diesen Moment gewartet zu haben schien.
„Was für einen Unterschied hätte es gemacht, wenn ich dagewesen wäre? Selbst wenn ich Ihnen geholfen hätte, wären Sie einige Tage später wieder alleine gewesen! In dieser Welt gibt es keine Hilfe, die von Dauer ist! Sehen Sie das ein, so wie ich im letzten Jahr gelernt habe, es einzusehen! Und soll ich Ihnen sagen, woher das kommt? Weil den Menschen egal ist, was außerhalb ihrer vier Wände passiert. Klar, manche heucheln und behaupten das Gegenteil. Aber wissen Sie, was geschieht, wenn ich springen und da unten alleine im Schnee verrecken würde?
Vielleicht liest einer darüber zwei oder drei Sätze in der Zeitung, nachdem ihm der Bauch noch vom Weihnachtsessen des Vortages wehtut.
Vielleicht denkt er dann etwas wie: “Armer Kerl, und ausgerechnet an Weihnachten.“
Vielleicht fragt er auch nach dem Warum.
Aber danach macht er die Zeitung zu, und spätestens wenn er seinen Weihnachtsbaum an den Straßenrand schmeißt wird er mich und die Millionen anderer Menschen, die einsam irgendwo da draußen krepieren, vergessen haben. Es hat eine Weile gedauert, doch jetzt kapiere ich, wie diese Welt funktioniert.“
Seine Stimme begann zu krächzen, der kalte Wind und das laute Geschrei forderten ihren Tribut.
Der Schnee wurde dichter und verbarg mehr und mehr die Welt vor seinem Balkon. Er stand weiter da und umklammerte das Geländer, immer in Erwartung einer Antwort.
Die aber blieb aus.
Kein vertrauter Dialekt drang nach oben, nichts war mehr zu hören als das Heulen des Windes.
Minuten vergingen, in denen innere und äußere Kälte um seinen Körper kämpften. Er wünschte sich eine Antwort, und sicher war es dieser Wunsch, der seine Entscheidung festigte, den Balkon zu verlassen und ins Bett zu gehen.
Am nächsten Morgen sollte er die Antwort bekommen.
Vor seiner Tür lag ein kleines Päckchen, in dem sich lediglich ein Zettel befand. Er entfaltete ihn und begann zu lesen. Danach flog der Zettel direkt in den Papierkorb. Doch dann geschah etwas, was diese Geschichte endlich zu der Weihnachtsgeschichte werden lässt, die ihr erwartet habt:
Der Zettel blieb nämlich nicht im Papierkorb.
Bald darauf wurde er von dort wieder aufgehoben und auf eine Kommode im Wohnzimmer gelegt, als nächstes fand er einen Platz auf dem Nachttisch, und schließlich endete die Reise des Zettels auf der Schrägwand über dem Bett, an die er sorgfältig geklebt wurde.
Er hing da noch lange nachdem die Müllabfuhr den Weihnachtsbaum vom Straßenrand abgeholt hatte, und vielleicht wird er in Zukunft seinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass der Mann mit der zittrigen rechten Hand an Heilig Abend nicht mehr alleine auf dem Balkon steht, sondern seine Versprechen hält.
Auf dem Zettel stand nur ein Satz, geschrieben zwar mit krakeliger Schrift, aber erdacht im Kopf eines Mannes mit ehrlichen Absichten:

„Und ist die Welt oft noch so schlecht, wer zwingt Dich, ein Teil davon zu werden?“

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Samstag, 8. Dezember 2007
Das ewige Warten (Eine einfache, komplizierte Frage, Teil 3)
Die Tasche mit den Uni-Sachen fliegt in die Ecke, in der sie wohl oder übel übers Wochenende liegen bleiben wird, denn an das Lernen will sie jetzt keinen Gedanken verschwenden. Ihre Katze kommt und streicht um ihre Beine, aber auch diese Form der Zuneigung kann ihre Tränen nicht zurückhalten.
Sie denkt nicht daran, sich etwas zum Essen zu machen, sondern greift sofort das Telefon, noch bevor sie ihren Mantel ablegt. Die Schnellwahltaste gedrückt, keine drei Sekunden gewartet, schon endet das Freizeichen.
„Na endlich Süße, ich dachte schon, Du rufst nie an…“
Ihre Hand klammert sich fester um den Telefonhörer.
„Hey, Tina…“
Am anderen Ende der Leitung ist nur ein kurzes Zögern zu vernehmen, dann ändert sich die Stimmlage in trauriges Mitfühlen.
„Es ist nicht gut gelaufen, stimmt's Süße?“
Sie schnieft ein wenig und antwortet dann mit brüchiger Stimme.
„Ich habe keine Chance mehr bei ihm, das ist so unfair…“
Tina unterbricht sie sofort.
„Du weißt doch, Männer sind Schweine. Sie wecken Erwartungen in Dir, nur um sich begehrt zu fühlen, nicht weil sie vorhaben, die irgendwann zu erwidern.“
Erneut beginnt sie zu weinen, doch am Sprechen hindert sie das nicht.
„Ich warte jetzt so lange auf den Richtigen, und endlich war ich mir sicher, dass er es ist, und dann lässt er mich einfach abblitzen, obwohl ich ganz genau weiß, wie er früher auf mich stand…“
„Ich weiß doch Süße…“
„…nach all diesen Fehlschlägen…“
Sie schnieft wieder.
„Ja, ich versteh Dich doch…“
„Ich meine, guck Dir doch meine ganzen Ex-Freunde mal an, das waren doch im Prinzip alles Pfeifen…
Erst Michael, immer lieb, ja, aber irgendwie schon bald so ohne Leidenschaft, dann Basti, der wollte doch eh immer nur das eine, Daniel, belügt mich von wegen kurz vor der Promotion und so…“
Tina nickt an ihrem Telefon mitfühlend mit dem Kopf.
„…Dann im letzten Jahr Tobi…“
„Der war ja mal total komisch, das habe ich Dir aber von Anfang an gesagt…“
„…Ja, ich weiß auch nicht, irgendwie soll es einfach nicht sein mit dem perfekten Mann…Warte mal, es klingelt gerade an der Tür…“
Sie geht noch mit dem Hörer am Ohr zum Spion und sieht hindurch.
„Es ist Alex…“
Tinas Stimme kann ihre Irritation nicht verbergen.
„Was will der denn jetzt?“
„Keine Ahnung, aber für den habe ich gerade mal überhaupt keinen Nerv…“
Also geht sie zurück zur Couch, legt sich hin, so dass die Beine über die Lehne baumeln, und redet mit Tina die nächsten vier Stunden über Dinge, die nur Frauen verstehen, während im Mülleimer an der Bushaltestelle nicht weit von ihrer Wohnung ein frischer Strauß Blumen kurz davor ist, mit dem Welken anzufangen.


Der Tragödie zweiter Teil

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Samstag, 10. November 2007
Sommeranfang
Die Sonne scheint, als hätte sie Van Gogh gemalt.
Ihre Strahlen fallen durch ein weit geöffnetes Fenster direkt auf Dein Bett und wecken Dich auf.
Du bist nicht wütend, willst nicht mit aller Macht im Bett bleiben, um Deinem sorgenbelasteten Alltag zu entfliehen, sondern bist ergriffen von einer Energie, die Dich zum Aufstehen animiert. Es macht Dir nichts mehr aus, dass Du alleine aufwachst. So verlässt Du Dein Bett, welches nicht nach Dir ruft, und gehst zum Fenster. Das Sonnenlicht blendet Dich zunächst, die frische Luft vertreibt auch den letzten Rest von Schlaf.
Dann haben sich Deine Augen an die Sonne gewöhnt, und der Blick hinaus auf Die Straße ist frei. Dort unten pulsiert bereits das Leben, es wird geformt durch einen Strom von Menschen, die auf beiden Seiten der durch kräftig-grüne Bäume gesäumten Straße ihre Ziele verfolgen. Du beobachtest sie. Da Du ein sorgfältiger Beobachter bist, verbergen sich Dir ihre Unsicherheiten nicht, ihre manchmal zu starr nach vorne gerichteten Augen oder ihre abfälligen Blicke. Auch nimmst Du wahr, wie sie immer wieder im Schatten der Bäume verschwinden. Doch Du hast in der letzten Zeit zu oft in den Schatten geschaut. Daher behältst Du diese Beobachtungen zwar im Hinterkopf, aber lässt Dir nicht die Freude verderben, wenn Du wieder zur Sonne guckst.

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Samstag, 20. Oktober 2007
Sonnenstrahlen auf dem sinkenden Schiff
Es begann mit diesem dumpfen Kreischen, als würden irgendwo weit entfernt sehr viele Fingernägel auf sehr vielen Tafeln entlang kratzen.
Das ließ viele Gäste erschreckt aufgucken, aber niemand wusste sofort, dass die linke hintere Schiffshälfte ein Leck bekommen hatte.
Niemand außer mir.
Ich aber scherte mich nicht weiter darum, obwohl ich die Folgen kannte. Wir waren alleine inmitten des Atlantiks, bis Rettung kam würde die Mehrzahl der Passagiere im Wasser ertrunken oder erfroren sein. Davon wollte ich mir den Tag nicht verderben lassen, zumal doch die Sonne so wunderbar schien. Ich entschied mich dafür, dass es an der Zeit war, diesen Tag mit einem Spaziergang an Deck zu würdigen. Um mich herum begannen die ersten Leute damit, panisch und planlos in der Gegend herumzulaufen, als könnten sie so ihrem Schicksal entfliehen. Ich wurde dadurch in meinem Spaziergang behindert, und deswegen verärgerte es mich ein wenig.
Endlich am Bug angekommen, trotz der vielen Menschen in meinem Weg, konnte ich spüren, wie sich das Schiff in Richtung Meeresgrund bewegte. Da sich das Heck zuerst mit Wasser füllte, würde ich am Bug bald für einen kurzen Moment eine hervorragende Aussicht auf den Ozean haben.
Neben mir war ein Mann so von der Angst gepackt worden, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah, als über die Reling zu springen.
Ich beobachtete seinen Sturz zwar nicht, hörte aber, wie er auf der Wasseroberfläche aufschlug.
Das Schiff sank weiter, und ich wendete meinen Blick wieder der Sonne zu, die langsam damit begonnen hatte, am Horizont ins Meer zu tauchen, wie in einem Wettstreit mit dem Schiff.
Einige Passagiere hatten das Glück, Platz auf einem der Rettungsboote zu ergattern, von denen es zu wenige gab.
So entbrannten schon bald Kämpfe um die letzten Rettungsboote, bei denen sich besonders die Herrschaften aus der ersten Klasse ohne Rücksicht auf ihre feinen Anzüge oder Kleider gegenseitig an die Gurgel gingen. Ich betrachtete das Schauspiel von meinem Platz am Bug mit zunehmender Belustigung. Das fiel mir aber deswegen immer schwerer, weil nun der eben angedeutete Fall eintrat, in dem das Heck schon lange unter Wasser war und sich somit der Bug mehr und mehr in Richtung einer senkrechten Position zur Wasseroberfläche bewegte. Folglich endeten auch die Kämpfe um die letzten Plätze auf den Rettungsbooten auf eine Weise, deren Beschreibung ich mir sparen möchte. Und dann kam er, der Moment, auf den ich mich gefreut hatte:
Ich, fast alleine, ganz oben mit beiden Händen und aller Kraft am Geländer festhaltend, und vor mir eine wunderschöne Sonne, die im Meer verschwand und den Wettkampf mit dem Schiff knapp gewann.

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Freitag, 12. Oktober 2007
Kleinigkeiten
„Ihr Hobby ist merkwürdig“.
Das sagt jedenfalls die Mehrzahl der Leute, die sie kennt.
Es findet sich nichts Perverses daran, soviel steht fest.
Aber seit wann muss eine Tätigkeit abartig sein, um von den Menschen mit dem selben verzogenen Gesichtsausdruck bedacht zu werden, wie etwas, das diese Mimik wirklich verdient?
Anders muss dieses Hobby sein, schon ziehen die Leute ihre Augenbrauen nach oben.
Sie taten es, wenn sie von ihrem Hobby erzählte.
„Ich filme.“
„Aha, und was?“
„Dinge, die sonst vergessen werden. Eine Plastiktüte, welche vom Wind hin und her gerissen wird. Von den Blättern tropfender Tau, oder Butterblumen auf einer Waldwiese.“
„Soso…“
Die Filme landeten auf DVDs, und da es so viele waren, nahmen sie den größten Platz in den Regalen ihres Zimmers ein. Der Überblick hätte leicht verloren gehen können, also musste sie die DVDs beschriften.
Dabei gab sie sich besonders viel Mühe, schrieb manchmal sogar kleine Gedichte auf die Cover, passend zum jeweiligen Inhalt.
Oft tat sie das mit vor Aufregung zitternder Hand.
Beim Anschauen der Filme saß sie dann alleine auf ihrer Couch.
„Du verschwendest Deine Zeit, indem Du diese unwesentlichen Dinge filmst.
Mach doch keinen solchen Aufriss wegen Sachen, die niemanden bewegen!“
Sie aber hörte nicht auf diese Stimmen und ging weiter ihrem Hobby nach, denn es bewegte sie sehr wohl.

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Dienstag, 9. Oktober 2007
Ich und meine Kette
Als ich geboren wurde, unterschied ich mich in vielen Punkten von den Menschen meiner Umgebung.
Der sonderbarste von ihnen bestand nicht in meinem Aussehen oder meiner Herkunft, wohl aber in einer langen und schweren Kette, die mir um den Fuß gebunden wurde.
Ich erinnere mich noch, wie mich die anderen Kinder deswegen mit abwertenden Blicken betrachteten oder nicht wollten, dass ich mit auf das Klettergerüst stieg. Sie verstanden genauso wenig wie ich, warum ich eine Kette hinter mir her zog, oder wer sie mir umgebunden hatte. Ihre Abneigung begründete sich auch weniger aus der bloßen Existenz der Kette, sondern viel mehr aus der Art, wie sie mich behinderte. Es versteht sich von selbst, dass ich niemals so schnell rennen konnte wie die anderen. Überhaupt brauchte ich für jede Tätigkeit, die mit Bewegungen zu tun hatte, länger als sie.
Sicher, mit der Zeit setzte eine Gewöhnung ein, da sich mir einfach keine Möglichkeit bot, die Kette loszuwerden. Diese Gewöhnung bestand darin, nicht mehr an die Kette zu denken.
Dennoch: Oft genug wurde ich wieder an sie erinnert. Besonders, wenn ich wegen ihr irgendwo hängen blieb, oder nicht schnell genug voran kam. Dann drängte sie mit einem Knall zurück in mein Bewusstsein und wurde plötzlich noch schwerer als zuvor.
Deswegen beschloss ich irgendwann, sie einfach unter meiner Kleidung zu verstecken.
So würde ich sie zwar nicht loswerden, aber immerhin konnte sie jetzt von niemand anderem mehr gesehen werden. Sie war noch genauso schwer wie immer, doch ich wurde nicht mehr auf sie angesprochen.
Wenn ich umfiel oder zu langsam war, dann wusste niemand mehr, woran es lag. Ich denke, dieser Schritt war notwendig, um in meiner Umgebung zu überleben. Ich weiß, dass ich bis zum Tod an die Kette gebunden sein werde und bin jetzt der einzige, der diese Wahrheit mit sich herum trägt.

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Freitag, 28. September 2007
Hallo Delilah…
Ich hoffe, dass es Dir gut geht.
1000 Kilometer hört sich viel an, ich weiß.
Aber wir können reden und uns schreiben, so oft es geht.
Ich komponiere Lieder für Dich, nehme sie auf und schicke sie Dir rüber. Jedes Lied drückt so viel mehr aus als ich Dir an dieser Stelle schreiben kann.
Mach Deine Augen zu, lehne Dich zurück und höre nur auf meine Stimme. Ist es nicht so, als würde ich neben Dir stehen und in Dein Ohr flüstern?
In zwei Jahren bist Du mit der Schule fertig und ich kann die Rechnungen mit meiner Gitarre bezahlen.
Dann führen wir zusammen das Leben, von dem wir jetzt nur träumen können.
Noch lachen unsere Freunde, doch ich mache ihnen keinen Vorwurf.
Sie wissen einfach nicht, was wir fühlen.
Delilah, ich werde Dich so oft besuchen wie es geht.
1000 Kilometer sind viel, ich weiß, aber es gibt Flugzeuge, Züge, Autos, und notfalls laufe ich.
Ich weiß, dass sich all das lohnt, glaube mir, denn es gibt einen einfachen, doch wunderschönen Grund:
Ich liebe Dich.

Re: Hallo Delilah…

hey du na wie gehtz?? also, schule is besser, als ich vorher gedacht habe weißt ja hab mir sorgn gemacht. naja, haben doch lange drüber geredet und so. lerne hier viele neue leute kennen manche sind schon crasy drauf aber eigentlich alle nett besonders basti…
jedenfalls danke für dein lied das gefällt mir gut genauso wie überhaupt dene ganze mail, süß von dir. finde es auch voll gut wenn wir uns weiter schreiben aber weißt du ich hab nachgdacht und finde unsere beziehung kann so einfach nicht klappen weil die entfernung ist einfach zu groß. sei mir bitte nicht böse ich mag dich total auch weiterhin und es ist cool wenn du mich mal besuchn kommst da freu ich mich. hoffentlich kannst du damit umgehen und nochmal echt geiles lied


lg
delilah

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