Donnerstag, 23. August 2007
Kapitulation
Endlich am Ende des Weges, dank Talent und Disziplin.
Die Erkenntnis ist nicht mehr ein bloßes Erahnen, ein Flackern in der Ferne, sondern greifbar. Ich packe zu und es fühlt sich gut an, weil ich hart dafür gearbeitet habe. Meine geistigen Fertigkeiten sind ausgeprägt, formvollendet, bereit zum Einsatz. Die schweren Eisentüren der Lehranstalt in meinem Rücken, sie werden kleiner mit jedem Schritt, den ich mich über den Hof von ihnen Weg bewege, und ihren Schrecken verlieren sie ebenfalls. Wirklich gerne bin ich nie hier her gekommen, hatte schlaflose Nächte deswegen, wollte auf meinem Weg rasten oder umdrehen, so wie andere.
Aber am Ende wurde ich belohnt, und darüber darf ich glücklich sein. Ich bin jetzt ein erfahrener Mann, mit allen Wassern gewaschen, und als solcher trete ich auf die Straße.

Doch bereits ein Schritt genügt, um eine tiefe Unsicherheit zu wecken, die ich fest in mir verschlossen dachte.
Ich schaue nach oben und werfe Blicke auf die Menschen neben mir. Sie sprechen so anders als gewohnt, ich kann sie nur schwer verstehen. Es frustriert mich, meine Unsicherheit wird Wut. Ich packe einen von ihnen am Arm, will ihn zum Bleiben nötigen, aber er reißt sich ohne Mühe los und verfolgt weiter seinen undurchsichtigen Weg.
Wo bin ich? Die Straßenschilder in dieser Gegend hängen höher als gewohnt, ich kann sie nicht erkennen.
In der Ferne ist eine Bushaltestelle auszumachen, meine Rettung! Ich warte auf den Bus und versuche, nicht auf die anderen zu hören.
Als der Bus kommt, möchte ich einsteigen, um aus dieser Gegend zu verschwinden, sie macht mir Angst mit ihren unverständlichen Menschen und den hohen Straßenschildern.
Aber wie ist doch jede Mühe umsonst, denn die anderen lassen mich einfach nicht in den Bus!
Immer wieder stoßen sie mich weg, ohne mir einen Blick zu schenken. Die Augen immer nur starr geradeaus gerichtet, die Lippen jetzt verschlossen.
Es bleibt keine andere Wahl, ich muss der Straße weiter zu Fuß folgen. Jede Orientierung ist verloren, und die Nacht bricht herein. Ich bin nun alleine auf der Straße, während die Häuserwände neben mir wachsen und alles in ihre Dunkelheit hüllen. Die Müdigkeit kommt, aber für Schlaf habe ich keine Zeit. Wer sagt mir, dass ich in dieser Gegend wieder aufwache?

Endlich, ein Tor, dahinter sieht es freundlicher aus!
Natürlich ist es verschlossen, ich hätte es wissen müssen.
Eine kalte Hand legt sich mir auf die Schulter, ich drehe mich ruckartig um und blicke in ein totes, konturloses Gesicht.
Der Mann mit dem bleichen Gesicht drängt mich zurück, sodass ich zitternd mit dem Rücken am Tor stehe. Dann hebt er seine Hand und ballt sie zur Faust.
Langsam öffnet er sie und ich sehe ihn:
Den Schlüssel für das Tor!
Doch viel zu schnell schließt er die Hand wieder, holt aus und wirft den Schlüssel mit viel Schwung weit über das Tor.

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