Samstag, 16. September 2006
Die Welt ist groß
Morgens, halb sechs in Darfur, Sudan.
Die Vögel zwitschern, die Sonne geht langsam auf und die Frauen des Dorfes beginnen mit ihrer Arbeit oder haben schon damit begonnen. Zeit für Halima, das Bett zu verlassen. Eigentlich hat sie dazu keine Lust, ihr fehlt der innere Antrieb.
Doch Arbeit bedeutet für sie Ablenkung, und die ist wichtig. Bliebe sie liegen, kämen die Bilder der gestrigen Ereignisse zurück und würden ihre Seele entgültig zerreißen. Denn gestern waren die Männer der regierungsnahen Dschandschawid – Miliz wieder im Dorf und haben ihre Arbeit verrichtet.
Arbeit bedeutet für diese Männer die Tötung, Folter und Verstümmelung der Männer des Dorfes. Kinder werden auch oft entführt. Die Frauen vergewaltigen sie und schneiden ihnen die Sehnen durch, damit sie nicht weglaufen können.
Halima selbst verlor gestern drei Kinder und ihren Mann, ihr jüngster Sohn wurde ihren Armen entrissen und von einem Bajonett aufgespießt.
Die Leichen liegen im Brunnen.
Heute scheinen die Milizen nicht wiederzukommen, sodass der Alltag, bestehend aus Hunger, Durst und Cholera – Epidemie, seinen Lauf nehmen kann.
Wirklich verlassen wird Halima ihr Dorf vielleicht irgendwann als Flüchtling.
Ein verzweifelter Versuch, dem alten Leben zu entfliehen.
Könnte sein, dass Halima eine von mehreren hunderttausend Opfern ist, deren Zahl sicher bald in der Tagesschau genannt wird.
Aber zum Glück können wir ja weiterzappen.

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