Freitag, 13. Juli 2007
Auf nach Panama - Teil 6
Eine Geschichte ist vorüber, sobald die letzte Seite eines Buches erreicht ist oder der Abspann über die Leinwand flimmert. Jetzt erst kannst Du Dir sicher sein, dass keine weiteren Wendungen mehr folgen. Der Punkt ist erreicht, an dem die Charaktere, die Du vielleicht lieb gewonnen hast, bewunderst oder mit Verachtung strafst, Deiner Beobachtung entzogen werden. Manchmal, mittlerweile eher regelmäßig, gibt es zwar später noch eine Fortsetzung, aber die ist nur dann gut, wenn die vorherigen Teile doch noch nicht richtig zu einem Ende gefunden haben.
Gibt es dieses Ende auch im echten Leben, also in Deinem eigenen? Für einen Moment habe ich das wirklich geglaubt.
Ich stand an einem der zahlreichen Strände von Panama (fragt mich nicht nach dem Namen, den werde ich mir nie merken können), barfuß, denn nur das Gefühl mit den Füßen im Sand zu versinken ermöglichte mir, wirklich zu begreifen, dass wir endlich in Panama angekommen waren. Neben mir Arne, der noch nie so klare Gedanken fassen konnte wie in diesen Minuten. Er ließ zu, dass die Umgebung auf ihn einwirken durfte und in ihm Empfindungen auslöste, die er schon viele Jahre unterdrückte. Aber hier waren wir beide trotzdem nur Nebenfiguren, bloße Beobachter. Die Hauptperson stand einige Meter weiter vorne, ihre Füße vom Meer umspült. Es war die Frau, wegen der wir die Urne unserer Mutter bis an einen Strand nach Panama getragen haben. Auch ihren Namen konnte ich mir weder lange merken noch richtig aussprechen, aber das spielt auch keine Rolle. Hat Mama Arne belogen, indem sie ihm erzählte, dass sie sich in Panama in einen Fischer verliebt hatte? Nein, denn sie nannte diese Person immer nur bei ihrem Namen, und Arne ist einfach nie auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um eine Frau, eine Fischerin, handelte. Aber auch das spielt keine Rolle. Klar, verwundert waren wir allemal, als sich die Tür der kleinen Fischerhütte am Stand öffnete und sich uns eine alte Frau, deren lange schwarze Haare ihr bis ins Knie reichten, unter dem Namen vorstellte, den Arne die ganze Zeit über einem Fischer zugeordnet hatte. Doch jeder Irrtum war ausgeschlossen, was nicht alleine daran lag, dass Arne ihr unser Vorhaben schon lange per Brief mitgeteilt hatte. Es genügte ein einziger Blick in das von harter Arbeit geprägte Gesicht der alten Frau, um ihre ehrliche Freunde zu sehen. Da machte es auch nichts, dass wir in den folgenden Tagen nie viel von dem verstanden, was sie sagte. Das galt auch für das Lied, welches sie sang, als sie vor uns im Wasser stand und die Asche aus der Urne ins Meer fallen ließ.
Es hörte sich einfach wunderschön an, dem Augenblick angemessen, nur wegen seiner Melodie und der Stimme. Glaubt jetzt aber bloß nicht, wir hätten bei Mamas Beerdigung nur in stiller Rührung aufs Wasser geguckt. Nein, das wäre nicht in ihrem Sinn gewesen.
So konnte ich anschließend beim nächtlichen Lagerfeuer endlich eine Erfahrung machen, die ich für unmöglich hielt: Kiffen geht auch ohne anschließendes Übergeben, es kommt einzig und alleine auf die richtige Mischung an! Und selbst Arne wusste zu überraschen:
Er meisterte den einheimischen Fruchtbarkeitstanz (so nenne ich den jetzt einfach, weil er so aussah) in vollkommener Nüchternheit. Viele Stunden später lagen wir drei dann im Sand, als Arne mir eine Frage stellte, dich ich während der letzten Tage fast vollkommen vergessen hatte, obwohl ich mich doch wegen ihr überhaupt erst auf den Weg nach Panama gemachte habe.
„Spricht sie wieder mit Dir, Deine innere Stimme?“
Ich musste eine ganze Weile überlegen, was sicherlich nicht zuletzt an der Wirkung von Panamas bestem Marihuana lag.
Die letzten Tage zogen im Geiste an mir vorbei und mir wurde klar, dass meine innere Stimme während dieser Zeit zwei Mal mit mir gesprochen hatte:
Das erste Mal, als ich auf dem Klo hockte und den Entschluss fasste, meinen Chef mit der brutalen Wahrheit meiner vollständigen und über zu viele Jahre angestauten Verachtung zu konfrontieren (ich beschloss dann, ihm eine Postkarte aus Panama zu schicken…).
Zum zweiten Mal geschah es in dem Moment, indem mein Bruder und ich einer alten glücklichen Frau dabei zusahen, wie sie die Asche der Liebe ihres Lebens ins Meer von Panama schüttete. Da sagte meine innere Stimme etwas, von dem ich mich nicht mehr erinnern kann, es in dieser Form schon mal gehört zu haben:
„Du kannst zufrieden sein mit allem, was Du in den letzten Tagen gemacht und erreicht hast.“
Ich weiß, dass meine innere Stimme mir in Zukunft noch mehr zu sagen hat. Damit ich sie auch höre, werde ich ihr mehr Zeit geben, mit mir zu sprechen. Das selbe gilt für Arne, denn ich glaube, dass ich von ihm eine Menge lernen kann. Für Euch mag meine Geschichte jetzt zu Ende sein, für mich ist sie es noch lange nicht.
Ja, ich bin endlich in Panama angekommen, aber meine Reise hat gerade erst begonnen.

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